Hoher Energiebedarf bei Lösungen mit Wasserstoff
Der Strombedarf für die Dekarbonisierung eines Stahlwerks mit Wasserstofftechnik ist enorm. In der künftigen mittleren Ausbaustufe 2 mit 26 % CO2-Reduzierung des Salz- gitter-Projekts wird ein Volumenstrom von 80 000 m3/h Wasserstoff benötigt.3 Ein 6-MW-PME-Elektrolyseur hohen Wirkungsgrads, wie ihn das Elektrolyse-Projekt H2Future der österreichischen voestalpine einsetzt, erreicht 1 200 m3/h. Die Österreicher gehen davon aus, dass der Standort Linz zusätzlich zum heutigen Eigenbedarf für eine vollständige Dekarbonisierung 33 TWh pro Jahr zusätzlich benötigen würde.4 Das entspricht der Jahresproduktion von drei großen Kernkraftwerken der deutschen KWU-Konvoi-Klasse mit rund 1 400 MWe Leistung5 oder der Hälfte des gesamt-österreichischen Jahresverbrauchs.
Nun reden wir aber nicht vom Bedarf eines, sondern mehrerer Stahlwerke, ganz zu schweigen von den Anforderungen an die Art der – wünschenswerterweise – erneuerbaren Stromerzeugung: diese muss kontinuierlich sein.6 Allein die nominelle Bereitstellung von Windkraftleistung für den genannten Stahlwerks-Gesamtbedarf würde es erforderlich machen, 21 Windparks von der Größe des deutschen Spitzenreiters Holtriem anzulegen – oder 840 WKA der neuesten 5-Megawatt-Klasse (z.B. Enercon E-147 EP5) zu errichten. Das sind Anlagen zwischen 130 und 150 m Nabenhöhe und mit ca. 150 m Rotordurchmesser. Eine solche Windenergie- Industrielandschaft wird vor allem die Ressourcen des ländlichen Raumes beanspruchen und dort mit anderen Nutzungen und Landschaftsschutz-Ansprüchen konkurrieren; man wird sie nur noch schwerlich als umweltverträglich bezeichnen können.
Drei- bis fünffache Kosten sind wahrscheinlich
Da jedoch die Arbeitsverfügbarkeit von Windkraft nur zwischen rund 20 % (onshore) und 40 % (offshore) liegt, ein Stahlwerk aber eine kontinuierliche Elektrolyseleistung sowie Stromversorgung benötigt7, muss zusätzlich zur intermittierenden Erzeugung noch an Speicherkapazitäten für Wasserstoff bzw. an große Stromspeicher und deren Kosten gedacht werden.8 In vielen Publikationen zu Pilotprojekten wird dieser Sachverhalt unterschätzt oder erst gar nicht benannt.
Sie gehen von günstigen Erzeugungskosten für ungepufferten Ökostrom aus, ignorieren aber die externen Kosten für Systemstabilisierung und künftige Speicherlösungen, die mit steigendem EE-Anteil im Netz immer stärker steigen. Zudem werden die hohen volkswirtschaftlichen Kosten der EE-Förderung nicht thematisiert. Die HAW-/ArcelorMittal-Studie bezieht solche Überlegungen mit ein und berechnet einzig für die „erneuerbare“ Direktreduktion fünfmal höhere Kosten als beim herkömmlichen Verfahren.9 Die Enersys-Studie der deutschen Akademien der Wissenschaften10 hat die Produktionskosten von Wasserstoff unter Zugrundelegung unterschiedlicher Strompreise und Auslastungen der Elektrolyse- Anlage berechnet. Demnach sind im günstigsten (aber wenig Wahrscheinlichen) Fall Kosten im Rahmen der heutigen Dampfreformierung zu erwarten, im ungünstigeren Fall das Drei- bis Fünffache dieser Kosten.11
3: SALCOS, 100.
4: Stahl kochen mit Wasserstoff: Hintergründe zur Linzer Pilotanlage der Voestalpine, in: Industriemagazin, 28.07. 2016, https://industriemagazin.at/a/stahl-kochen-mit-wasserstoff-hintergruende-zur- linzer-pilotanlage-der-voestalpine; Lukas Weber, Eine Alternative zum Koksen, in: FAZ, 24.02. 2018.
5: Kernkraftwerke in Deutschland, in: KernD, Kernenergie in Zahlen 2019, S. 3. Beispiel: Die Bruttostromerzeugung des KKW Emsland (1408 MWe) 2018 betrug rund 11,5 TWh
6: Marc Hölling, Matthias Weng, Sebastian Gellert, Bewertung der Herstellung vonEisenschwamm unter Verwendung von Wasserstoff (Evaluation of Hydrogen-Based Production of DRI), Download unter: Wasserstoff-Stahl: ArcelorMittal und HAW Hamburg legen Studie vor.
7: Wasserstoff-Stahl: ArcelorMittal und HAW Hamburg legen Studie vor
8: Statista: Die Anzahl der Wind-Volllaststunden nach typischen Standorten für Windenergieanlagen in Deutschland im Jahr 2018 betrug zwischen 1800 h/a (Onshore Binnenland) und 4500 h/a (beste Offshore-Standorte). Die durchschnittliche Arbeitsverfügbarkeit von Windkraft in Europa onshore lag 2018 bei 22%, offshore bei 36%, in: Wind energy in Europe in 2018, Trends and statistics, 18.
9: Optimistisch: Duarte / Dorndorf, Technological achievements, 42f., die mit Stromkosten von 50 EUR/ MWh EE-Strom in Deutschland rechnen, mit günstigsten PV-Kosten in Wüstenregionen bis hinunter zu 30 EUR/MWh; Pessimistisch: Hölling et al., Bewertung der Herstellung von Eisen- schwamm (günstigste Annahme 100 EUR/MWh ergibt Kosten von bis zum Fünffachen des konventionellen DRI-Verfahrens).
10: Ausfelder et al., „Sektorkopplung“ – Untersuchungen und Überlegungen zur Entwicklung eines integrierten Energiesystems (Schriftenreihe Energiesysteme der Zukunft), München 2017.
11: Ausfelder et al., „Sektorkopplung“, 61, Abb. 16, „Kostenverlauf der Produktionskosten von Wasserstoff durch Elektrolyse als Funktion der Beriebsstunden“.