Unersättlicher Energiehunger
Das südasiatische Land hat einen unersättlichen Appetit auf Energie entwickelt. In den nächsten 20 Jahren sei Indiens Energienachfrage sogar die höchste weltweit, so ein neulich veröffentlichter Bericht der internationalen Energiebehörde, International Energy Agency (IEA). Nach IEA-Angaben ist diese Entwickung auf das erwartete Wirtschaftswachstum mit der gleichzeitig zunehmenden städtischen Bevölkerung zurückzuführen. „Indien hat erstaunliche Fortschritte in den vergangenen Jahren gemacht. Es hat Hunderte Millionen Menschen mit Stromverbindungen versorgt und die Verwendung der erneubaren Energie, vor allem Solarenergie, eindrucksvoll erhöht“, meint IEA-Chef Fatih Birol.
Die neue Industriestrategie soll ebenfalls dazu beitragen, dass sich der Stahlverbrauch – wie in der National Steel Policy von 2017 formuliert – bis 2030 auf 200 Millionen Tonnen pro Jahr verdoppelt. Dieses Ziel ist allerdings durch die aktuelle Konjunkturkrise wegen der Pandemie 2020 mit einem Minus beim Bruttoinlandsprodukts von bis zu 10 Prozent im Finanzjahr 2020/21 (April-März) nicht zu erwarten. Manche Forschungsinstitute prognostizieren sogar einen Rückgang von bis zu 20 Prozent.
„Erstaunliche Fortschritte“
T. V. Narendran, der Chef von Tata Steel, trug seine Sorge um den noch niedrigen Innovationsgrad der indischen Stahlindustrie vor, die sich mehr auf Nachbesserungen und weniger auf Innovationen konzentriere. Narendran, der auf der Online-Konferenz Steel Success Strategies 2020 im Oktober vergangenen Jahres in New York sprach, wies auf die Lage der europäischen Unternehmen hin, die unter Durck von Abnehmern zu „mehr und mehr Innovation gezwungen sind“. Er forderte eine „effiizientere Kapitalverwendung und genauso effizientere Handlung hinsichtlich der Überkapazität“.
Auf derselben Konferenz verglich Vinay Shroff, Leitender Vizepräsident des indischen Stahlunternehmens JSW Steel, die beiden weltgrößten Stahlerzeuger China und Indien. China habe die höchste Stahlproduktionskapazität erreicht, die bei 72 Prozent in Asien liege, während Indiens Anteil 8,8 Prozent betrage, so Shroff. Indiens Pro-Kopf-Stahlkonsum liege bei 74 Kilogramm, dagegen liege Chinas Stahlkonsum bei 633 Kilogramm pro Kopf. Shroff sagte ferner, Indien plane hohe Investitionen in Infrastrukturprojekte, die zum Wachstum des Stahlkonsums führten. Nach Einschätzung von Experten werde sich die Stahlnachrage auf 230 Millionen Tonnen bis 2030 erhöhen. Auch JSW Steel habe die Folgen der Pandemie in Indien zu spüren bekommen. Auch Indien hatte monatelang ein Lockdown verhängt. Jedoch habe JSW Steel eine „flexible Strategie“ entwickelt, die auf eine Neuausrichtung der Lieferkette und Logistik abziele, so Shroff.
Herausforderung CO2-Verringerung
Was die indische Stahlindustrie sonst zurzeit bewegt, ist die Sorge über eine angekündigte Reduzierung der Zölle für Halbfabrikate aus Stahl. Die Zölle sollen von gegenwärtig 10 Prozent auf 7,5 Prozent reduziert werden. Diese Produkte werden hauptsächlich aus China importiert.
Zudem steht die indische Stahlindustrie vor einer schwierigen Aufgabe hinsichtlich der Reduzierung der CO2-Emissionen. Die Regierung in Neu-Delhi beschrieb die Verringerung der CO2-Emissionen „als eine der größten Herausforderungen“ für die Stahlindustrie und forderte die verschiedenen Interessengruppen auf, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.