Indien: Rasche Erholung nach der Rezession
Auch die indische Stahlindustrie wurde vom Ausbruch der Pandemie schwer getroffen. Infolge eines starken Einbruchs der inländischen Nachfrage, Unterbrechungen von Lieferketten und Liquiditätsproblemen bei indischen Stahlherstellern fiel die Rohstahlproduktion 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent auf 99,6 Millionen Tonnen (2019: 111,3 Millionen Tonnen). Wachstumsprognosen der Weltbank und anderer Forschungsinstitute gehen jedoch von einer raschen Markterholung aus. Gleichzeitig stützen staatliche Investitionen in der Bauindustrie und im Automobilsektor die Konjunktur und schaffen das Vertrauen für einen Kapazitätsausbau in der Stahlindustrie. „Vor diesem Hintergrund können die im VDMA organisierten Anlagenbauer auf steigende Aufträge aus Indien hoffen“, eröffnet die AGAB eine Perspektive. Deren Zustandekommen hänge jedoch maßgeblich von einer Verbesserung der finanziellen und administrativen Rahmenbedingungen – beispielsweise von Genehmigungsverfahren und Eigentumsrechten – ab.
Europa: Schwacher Auftragseingang erwartet
Die Rohstahlproduktion in Europa brach 2020 um 12,7 Prozent auf 189,4 Millionen Tonnen ein. Die Kapazitätsauslastung sank mit 60 Prozent auf ein langjähriges Minimum. Im Zuge der erwarteten gesamtwirtschaftlichen Erholung rechnet die europäische Stahlindustrie im laufenden Jahr aber mit wieder steigenden Produktionszahlen. Dabei steht die Branche nach eigener Einschätzung vor historischen Herausforderungen: Um diese Vorgabe zu erreichen, setzen die Unternehmen auf die Entwicklung von Technologien, mit denen sich Treibhausgasemissionen weitestgehend eliminieren lassen. Die wasserstoffbasierten Direktreduktionsverfahren gelten dabei als die am weitesten entwickelten und für das Klima sinnvollsten Methoden. Herausfordernd ist jedoch die Bereitstellung der erforderlichen Mengen an grünem Strom, denn wasserstoffbasierte Reduktionsverfahren benötigen große Mengen an elektrischer Energie für die Elektrolyse. Die AGAB berechnet den Gesamtenergiebedarf für eine klimaneutrale Umstellung der Hochofenroute auf circa 120 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr.
Alleinstellungsmerkmal durch nachhaltige Innovation
„Die im VDMA organisierten Hütten- und Walzwerkausrüster können nur dann mit auskömmlichen Margen kalkulieren, wenn es ihnen gelingt, auf Basis innovativer Produkte und Dienstleistungen Alleinstellungsmerkmale zu generieren“, betont die AGAB. Dafür müsse der Anlagenbau Lösungen für flexible, kostenoptimierte und nachhaltige Produktionsprozesse entwickeln. Die Megathemen Digitalisierung und Klimawandel bieten hierfür Ansatzpunkte. So gibt es derzeit zahlreiche Forschungsprojekte und Kooperationen zwischen Anlagenbauern, Anlagenbetreibern und Hochschulen, die sich mit dem Einsatz von Wasserstoff als Direktreduktionsmittel in der Stahlindustrie beschäftigen und das Ziel einer klimaneutralen Stahlproduktion verfolgen.