In der Fördertechnik spielt die Erfassung der Umgebung von Maschinen, Positionen oder potenziell gefährlichen Zusammenhängen eine zentrale Rolle. Insbesondere optische Systeme wie Kameras und Laserscanner sowie Ultraschall-Sensoren sind hierbei etablierte Sensor-Technologien. Diese bekommen jedoch in vielen Anwendungsfeldern Konkurrenz durch Radar-Sensoren, die sich speziell in rauen Umgebungen in Bezug auf Robustheit, Zuverlässigkeit und Wartungsfreiheit überlegen zeigen.
Der Beitrag erschien ursprünglich in Ausgabe 11/24 von stahl + eisen (Seite 46–47). Autor ist Dirk Becker, Head of Industrial R&D, Symeo.
Ein Radarsensor sendet elektromagnetische Radiowellen mit definierter Leistung Pt und Polarisation aus und erfasst die zurückreflektierten Anteile Pr. Über die Laufzeit der ausgesandten Wellen ermittelt der Sensor die Entfernung zum reflektierenden Objekt und/oder dessen Geschwindigkeit.
Mehrere physikalische Phänomene beeinflussen die Emissionen eines Radarsensors, darunter Absorption, Beugung, Brechung sowie Reflexion und Streuung. Zudem unterliegt das Signal einer entfernungsabhängigen Dämpfung, und die Laufzeit des Signals ist abhängig vom durchlaufenen Material. Auch allgemeine Wellenausbreitungsphänomene, wie konstruktive und destruktive Interferenzen, beeinflussen die Emissionen.
Die Kombination aus Umgebung und Objektart bildet zusammen mit dem Radarsensor ein komplexes System. Kleinere Objekte, wie Regen, Nebel oder Schnee, beeinträchtigen das Radarsignal nicht. Nichtleitende Objekte beeinflussen die Radarsignalausbreitung kaum, was eine robuste Kapselung des Sensors, beispielsweise durch ein Radom, ermöglicht.
Ziele, die ein Radar erkennt
Ein Radarsensor detektiert alle Objekte innerhalb seiner Reichweite als Ziele, sofern sie über einen ausreichenden Radarquerschnitt (RCS) a verfügen. Der Radarquerschnitt hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Abmessungen, das Material und die Form des Objekts sowie die Wellenlänge des verwendeten Radarsignals. Objekte mit geringer Reflektivität bleiben für das Radar unsichtbar, da sie entweder durchlässig oder absorbierend oder streuend auf den Radarstrahl wirken. Die Reichweite (R) eines Radarsensors im Freiraum wird von mehreren Faktoren beeinflusst:
- Wellenlänge (): Je kleiner die Wellenlänge, desto größer ist die Freiraumdämpfung, was zu einer geringeren Reichweite führt.
- Abgestrahlte Leistung (Pt): Eine höhere abgestrahlte Leistung des Radarsensors erhöht die Reichweite.
- Detektionsfähigkeit (Pr): Eine verbesserte Detektionsfähigkeit verlängert die Reichweite.
- Antennengewinn (G): Ein höherer Antennengewinn verstärkt sowohl die abgestrahlte Leistung als auch die Detektionsfähigkeit des Radarsensors, was die Reichweite weiter erhöht.
Diese Faktoren arbeiten zusammen, um die Effektivität und Reichweite eines Radarsystems zu bestimmen, indem sie die Signalstärke und die Fähigkeit zur Zielerkennung optimieren.
Die Antenne spielt eine zentrale Rolle bei der Definition des „Field-of-View“ eines Radarsystems. Sie beeinflusst den Ausbreitungskanal, die Reichweite und die Abmessungen des Sensors. Eine Vielzahl an Antennentypen ermöglicht es, die die Strahlcharakteristik variabel zu gestalten, einschließlich des Öffnungswinkels und der abgestrahlten Leistung. Hohe Frequenzen ermöglichen den Bau kompakter Antennen, da deren Größe direkt mit der Wellenlänge korreliert. Die transmitive Eigenschaft der Radarsignale ermöglicht es auch, Antennen in hermetisch dichte Gehäuse zu integrieren.
Ein entscheidender Aspekt bei der Antennengestaltung ist die Größe der Antenne in Relation zur Wellenlänge, auch bekannt als „Apertur“. Die Apertur bestimmt die Stärke der Strahlbündelung, was wiederum die Auflösung in seitlicher (lateraler) Richtung beeinflusst. Eine größere Apertur ermöglicht eine stärkere Bündelung des Strahls, was somit zu einer erhöhten seitlichen Auflösung führt.
Radaranwendung im Stahlwerk
Industrielle Radarsysteme unterliegen strengen Anforderungen, insbesondere in Bezug auf ihre langfristige Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit. Eine Verfügbarkeit von über 15 Jahren gilt als wirtschaftlicher Richtwert für einen unterbrechungsfreien Betrieb. Wartungs- und Kalibrationsfreiheit sind wesentliche Faktoren, die sicherstellen, dass Radarsysteme während ihrer gesamten Lebensdauer zuverlässig funktionieren, ohne regelmäßige Wartung oder Neukalibrierung. Dies reduziert nicht nur die Betriebskosten, sondern minimiert auch Ausfallzeiten, die durch Wartungsarbeiten entstehen könnten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Messfähigkeit und Zuverlässigkeit der Systeme unter extremen Bedingungen. Trotz starker Verschmutzungen, wie Staub oder Ablagerungen, müssen Radarsysteme präzise Messungen durchführen können. Ebenso sollten sie gegenüber extremen und stark schwankenden Temperaturen robust sein. Darüber hinaus müssen Radarsysteme andauernden Vibrationen und Erschütterungen standhalten.
Dass diese Kriterien erfüllt werden, zeigen die Radarsysteme, die seit Jahrzehnten vor allem in der Distanzmessung auf Kranen im Einsatz sind – in Häfen, Schüttgutlagern oder eben auch in Stahlwerken. Die Radarüberwachung der Kranbewegung wird teilweise dafür genutzt, indirekt auf die Bewegung von Gütern zu schließen und so deren Position zu erfassen. Dies ist mit anderen Radaranwendungen aber auch direkt möglich.
Bildgebendes Radar
Bei der Überwachung eines Brammenlagers mittels Radarsensoren benötigt man beispielsweise entweder eine Vielzahl von Einzelsensoren oder ein bildgebendes Radarsystem, wie etwa Mehrkanal-Radare (MIMO-Radare – Multiple-Input Multiple-Output). Diese Technologie bündelt mehrere Einzelradare zu einer Einheit, die einen breiten Detektionsbereich, auch „Field-of-View“ genannt, abdeckt. So lässt sich eine winkelaufgelöste Abbildung eines größeren Bereichs erstellen.
Eine noch höhere Auflösung bietet ein SAR-Sensorsystem (Synthetic Aperture Radar). SAR-Systeme nutzen die Relativbewegung zwischen Sensor und Ziel, um die Antennenapertur des Radarsensors künstlich zu vergrößern. Für den erfolgreichen Einsatz eines SAR-Systems, auch Imaging Radar genannt, muss entweder der Sensor oder das Ziel in Bewegung sein. In der Praxis wird dies oft dadurch erreicht, dass der Sensor auf einem sich bewegenden Gerät, etwa einem Kran, montiert wird. Anwendungsmöglichkeiten umfassen die Verfolgung und Identifikation von Materialien wie Stahlblöcken, Coils oder Brammen in Echtzeit. Eine zentrale Aufgabe könnte hierbei die Kartierung und Identifikation von Lagerplätzen sein.
Um Material etwa von einem Hallenschiff, das mit Kranen bestück ist, zum anderen zu befördern, werden Querverschiebewagen mit mehreren Coilmulden verwendet. Hier werden Coils abgelegt, die später in einer anderen Halle mit dem Kran wieder aufgenommen werden. Radar ermöglicht die präzise Erfassung von Position und Beladung des Wagens zur Nachverfolgung der Güter. Durch die Messung des höchsten Punkts eines Coils kann beispielsweise auch dessen Durchmesser automatisch bestimmt werden. Derzeit erfolgen solche Anwendungen noch auf Basis der MIMO-Technologie, doch SAR-Sensorsysteme stellen eine hochpräzise Alternative dar, die sich durch ihre Fähigkeit zur hochauflösenden Erfassung von Situationen in vielen Bereichen durchsetzen.
Ausblick
Moderne Radarchips integrieren große Teile des Radarsensorsystems in einem einzigen Bauteil, bekannt als „System-on-Chip“ (SoC). Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Radartechnologien, insbesondere im Bereich des Chip-Designs und der Algorithmik in der eingebetteten Signalverarbeitung, führt zu immer leistungsfähigeren und gleichzeitig kostengünstigeren Sensoren. Diese technologischen Innovationen eröffnen neue, präzisere und komplexere Anwendungsmöglichkeiten und erweitern das Potenzial der Radarsysteme erheblich. Dank der großen Flexibilität der Radartechnologie bleiben zahlreiche Einsatzmöglichkeiten noch unerschlossen.
Eine Auswahl weiterer Artikel, die gedruckt in stahl + eisen erschienen, finden Sie > hier.
Foto: Voestalpine Stahl