Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben sich der Aufgabe gewidmet, bei der Metallproduktion Gewinnung, Herstellung, Mischung und Verarbeitung in einem einzigen, umweltfreundlichen Schritt zu kombinieren. Die Ergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Bei der Produktion von einer Tonne Nickel fallen 14 Tonnen CO2 ,teilweise sogar mehr, an. Dabei sind Eisen und Nickel für die Luft und Raumfahrt, den Transport von flüssigem Wasserstoff und für die Energiewende von entscheidender Bedeutung. Aus ihnen entstehen sogenannte Invarlegierungen, die aufgrund ihrer geringen thermischen Ausdehnung ideal für diese Anwendungsfelder sind. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben für Nachhaltige Materialien (MPI-SusMat) eine radikal neue Strategie entwickelt. In einem einzigen Prozessschritt und Reaktor werden die Metallgewinnung, das Legieren, also das Mischen, und die thermomechanische Verarbeitung integriert, so daß am Ende das fertige Material entsteht. Diese Methode ermöglicht die direkte Umwandlung von Erzen in anwendungsfähige Produkte.
Bisherige Vorgehensweise bei der Metallproduktion
Die konventionelle Legierungsproduktion ist seit mehr als 6000 Jahren ein dreistufiger Prozess: Zuerst wird Sauerstoff aus den Erzen entfernt, um das reine Metall zu erhalten. Dieser Schritt heißt Reduktion: Eisen- oder Nickelerz werden somit zu Metall reduziert. Danach werden mehrere Metalle oder andere Elemente erhitzt und verflüssigt, um sie miteinander zu vermischen, das sogenannte Legieren. Zum Schluss wird die Legierung thermomechanisch bearbeitet, also geschmiedet, gewalzt, erhitzt, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Jeder dieser Schritte ist energieintensiv, vor allem da die Erze und Metalle mehrmals erhitzt, verflüssigt und wieder abgekühlt werden. Zudem wird bisher Kohlenstoff als Energieträger und Reduktionsmittel genutzt, was zu erheblichen CO2-Emissionen führt.
Neue Methode: Wasserstoff als Reduktionsmittel
Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, bei denen Erze mit Kohlenstoff reduziert werden, verwenden die Max-Planck-Wissenschaftler Wasserstoff als Reduktionsmittel. „Die Verwendung von Wasserstoff anstelle von Kohlenstoff bringt vier entscheidende Vorteile mit sich“, erklärt Professor Dierk Raabe. Er ist der geschäftsführende Direktor am MPI-SusMat und korrespondierender Autor der Studie. „Erstens entsteht bei der wasserstoffbasierten Reduktion nur Wasser als Nebenprodukt, und kein CO2. Zweitens entsteht direkt reines Metall beziehungsweise – sogar gleich die fertige Legierung. Man muss also keinen verbliebenen Kohlenstoff aus dem Endprodukt entfernen. Dies spart Zeit und Energie. Drittens führen wir den Prozess bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen und in der festen Phase durch. Also nicht in der Phase des flüssigen Schmelzens und sparen damit erneut Energie. Viertens vermeiden wir das häufige Abkühlen und Wiedererhitzen, das für herkömmliche metallurgische Prozesse charakteristisch ist. Und können auch hier erheblich Energie sparen.“
Insgesamt wird der Energieverbrauch im Vergleich zur konventionellen Metallurgie um bis zu 40% gesenkt. Die mit dieser Methode hergestellten Invar-Legierungen haben dieselbe geringe Wärmeausdehnung wie die konventionell hergestellten Invar-Legierungen, und bieten aufgrund der verfeinerten Mikrostruktur, die aus diesem Verfahren resultiert, sogar eine bessere mechanische Festigkeit
Ausstehende Hindernisse für die Metallproduktion
Um die neue Art der Metallproduktion vom jetzigen Labormaßstab zur industriellen Anwendung zu bringen, müssen die Wissenschaftler drei zentrale Herausforderungen überwinden: Erstens: in der jetzigen Forschungsarbeit verwendeten die Wissenschaftler reine Oxide. In der Industrie hingegen wird auf günstigere und verunreinigte Oxide vertraut. Das heißt für das Max-Planck-Team, dass sie ihren Prozess anpassen müssen, um weiterhin dieselbe Qualität der Legierungen zu erhalten. Zweitens: Die Verwendung von reinem Wasserstoff im Reduktionsprozess ist zwar effektiv, aber für industrielle Anwendungen kostspielig. Das Team führt nun Experimente mit niedrigeren Wasserstoffkonzentrationen bei höheren Temperaturen durch, um ein optimales Gleichgewicht zwischen Wasserstoffverbrauch und Energiekosten zu finden und den Prozess für die Industrie wirtschaftlicher zu machen. Drittens: für industrielle Zwecke werden sehr fein porige Metalle gebraucht, die mit der neuen Methode der Max-Planck-Wissenschaftler nicht direkt, sondern mit einem zusätzlichen Schritt, dem Sintering, hergestellt werden müssten.
Nächstes Ziel: Hoch-Entropie-Legierungen
Das neue Verfahren ist nicht nur für Invar-Legierungen interessant, sondern für alle Legierungen auf der Basis von Eisen, Nickel, Kupfer oder Kobalt. Im Fokus des Düsseldorfer Max-Planck-Teams stehen jetzt auch komplexe Legierungen, die aus mehr als fünf verschiedenen Elementen bestehen, sogenannte Hoch-Entropie-Legierungen. Diese werden zum Beispiel in Flugzeugturbinen und Elektromotoren eingesetzt. Eine weitere vielversprechende Richtung könnte die Verwendung von metallurgischen Abfällen, anstatt reiner Oxide, sein. Da keine hohen Temperaturen und fossilen Brennstoffe mehr erforderlich sind, könnte dieser einstufige, wasserstoffbasierte Prozess den ökologischen Fußabdruck der Legierungsproduktion drastisch reduzieren und den Weg für eine grünere, nachhaltigere Zukunft in der Metallurgie ebnen. Die Forschung wurde durch ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung für Shaolou Wei und einen European Advanced Research Grant von Dierk Raabe finanziert.
Foto: Yasmin Ahmed Salem, Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien GmbH