Mit einem Investitionsvolumen von über 220 Millionen Euro setzt die italienische Feralpi Group ein deutliches Zeichen für Dekarbonisierung und Standortbindung. Mitte Mai wurde in Riesa das erste Spooler-Walzwerk Deutschlands eröffnet. Es bildet den Mittelpunkt eines umfassenden Modernisierungskonzepts, das technologische Innovation mit Umwelt- und Standortpolitik verbindet.
Mit dem Bau des Spooler-Walzwerks hat das italienische Familienunternehmen Feralpi Group ein doppeltes Bekenntnis abgegeben: zum einen zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie, zum anderen zum Standort Riesa. Als langfristiges Zeichen dieser Haltung steht nun ein Spooler-Walzwerk in Sachsen, das neue Maßstäbe in der CO₂-reduzierten Stahlproduktion setzen soll. Die feierliche Eröffnung des Walzwerks war der Höhepunkt eines langfristigen Prozesses, der ein ganzes Bündel technologischer und organisatorischer Maßnahmen umfasste und einen Einsatz von mehr als 220 Millionen Euro verlangte. Zu der größten Investition in der deutschen Firmengeschichte gehören außerdem eine neue Schrottaufbereitung, ein neues Umspannwerk und ein neues Logistikkonzept auf dem Werksgelände. Schon jetzt ist der Standort in Deutschland führend, was seine Umweltbemühungen angeht: Als eines von nur zwei Stahlwerken in der Bundesrepublik trägt Feralpi Stahl in Riesa das EMAS-Siegel. Dieses garantiert Emissionen weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Werten.
Neue Produkte möglich durch neues Walzwerk
In Sachen Klimaschutz fügt sich das neue Spooler-Walzwerk voll in die Bestrebungen der Sachsen ein. Es vermeidet CO₂-Emissionen im Scope 1 vollständig und stellt einen technologischen Quantensprung dar. Es ist das erste seiner Art in Deutschland, das das sogenannte Endloswalzen durch Knüppelschweißen ermöglicht und über ein emissionsfreies, induktives Ofensystem verfügt. Ein 300 Meter langer Heißbeschickungs-Rollgang verbindet das neue Walzwerk direkt mit der bestehenden Stranggussanlage. Diese kontinuierliche Heißführung wird elektrisch betrieben und vermeidet somit direkte CO₂-Emissionen.
Moderne Datenanalyse und künstliche Intelligenz steuern den gesamten Prozess in Echtzeit, senken den Energieverbrauch durch dynamisches Regeln des thermomechanischen Systems und sorgen so für eine bestmögliche Qualität des Endprodukts. Damit leistet Feralpi Stahl einen wichtigen Beitrag zur schrittweisen Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Produziert wird künftig ein warmgespultes Coil mit einem Gewicht von 2,5 bis 8 Tonnen, möglichen Abmessungen von 8 bis 25 mm und einem Ringinnendurchmesser von 900 mm. Mit dem Produkt setze man „neue Maßstäbe im Markt“, heißt es selbstbewusst.
Italienischer Schulterschluss für den Standort Deutschland
Welchen Impact die Investition hat, zeigte sich auch am ranghohen Besuch bei der Eröffnung am 15. Mai – gerade in Zeiten, in denen renommierte DAX-Unternehmen wie beispielsweise BASF hierzulande desinvestieren. Vor Ort waren natürlich Giuseppe Pasini, der Chef aus Italien, und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, aber auch Tommaso Foti, Italiens Minister für Europäische Angelegenheiten, und Fabrizio Bucci, der italienische Botschafter in Deutschland. Sie alle lobten die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien. Für weitere italienische Akzente sorgten das Mailänder Architekturbüro Caruso e Torricella, das das Design des Industriebaus verantwortete, sowie der Maschinenbauer Danieli aus der Nähe von Udine, der einen Großteil der technischen Anlagen lieferte.
Starkes Signal für die Industrie in Sachsen
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erklärte: „Die Investition in das neue Spooler-Walzwerk zeugt vom Vertrauen des Unternehmens in den Industriestandort Sachsen. Es ist ein starkes Signal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Deshalb ist es mir so wichtig, dass Industrieunternehmen wie Feralpi Stahl auch künftig Bedingungen vorfinden, mit denen Wertschöpfung und technologische Transformation bei fairem Wettbewerb möglich sind. Denn das sorgt für unsere wirtschaftliche Souveränität, einen sparsamen Ressourceneinsatz und Industriearbeitsplätze.“
Walzwerk als Ausdruck einer langfristigen Vision
Giuseppe Pasini, Präsident der Feralpi Group, betonte: „Die Einweihung des neuen Walzwerks in Riesa ist Ausdruck unserer langfristigen Vision und unseres kontinuierlichen Engagements in fortschrittliche Technologien zu investieren. Damit stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt und verfolgen eine immer nachhaltigere Produktion. Wir glauben fest an das Wachstumspotenzial Deutschlands und wollen ein Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs sein. Damit sich diese Zuversicht in konkreten Ergebnissen niederschlägt, ist ein gemeinsames Handeln mit der deutschen und europäischen Politik unerlässlich. Insbesondere sehen wir die dringende Notwendigkeit, das Problem der hohen Energiepreise anzugehen. Sie belasten die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie massiv. Wir müssen zudem Schrott als strategischen Rohstoff für die Kreislaufwirtschaft und eine resiliente Industrieproduktion anerkennen. Nur mit gezielter Unterstützung in diesen beiden Bereichen können wir unser volles Potenzial entfalten und einen wesentlichen Beitrag für eine prosperierende und nachhaltige Zukunft Deutschlands und Europas leisten!“
Uwe Reinecke, General Manager von Feralpi Stahl, ergänzte: „Mit der Inbetriebnahme des neuen Walzwerkes machen wir ernst mit der Vision vom grünen Stahl! Wir investieren nicht nur in Technologien, sondern auch in Menschen, die diesen Wandel mitgestalten: Über 100 neue Arbeitsplätze entstehen. Für uns ist das ein klares Bekenntnis zu Riesa, zu Sachsen und zum Stahlstandort Deutschland.“
Modernisierung von der Schrottaufbereitung bis zur Logistik
Die neue Produktionslinie ist Teil eines umfassenden Modernisierungskonzepts. Neben dem Walzwerk wurden auch die Schrottaufbereitung, ein eigenes Umspannwerk und eine neue Werkslogistik umgesetzt. Dadurch kann der Recyclingprozess noch effizienter gestaltet und die Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen stabiler integriert werden. Bereits seit 2023 sorgt die Schrottaufbereitungsanlage der ersten Phase von Feralpi Stahl für eine höhere Produktivität, bessere Qualität und optimierte Schrottbearbeitung. Das gilt als ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum grünen Stahl.
In der neuen Schrottaufbereitung wird der Schrott zerkleinert, gereinigt und stückiger aufbereitet, um den wertvollen Rohstoff im Elektrolichtbogenofen noch energieeffizienter zu Stahl schmelzen zu können. Bei diesem Prozess werden auch andere Materialien recycelt und sortiert. Dies ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum grünen Stahl, da durch eine effektive Aufarbeitung und Säuberung des Rohstoffs Schrott der Prozess der Stahlerzeugung optimiert wird. Entscheidende Faktoren sind dabei Ressourcenschonung, Materialeffizienz, Energieeffizienz und die Verminderung von Abfallprodukten. Nach Abschluss von Phase zwei und drei ist ein vollständig automatisierter Prozess zur Beschickung des Elektrolichtbogenofens am Riesaer Standort der Feralpi Group das ehrgeizige Ziel. Eine Einhausung der Anlage sorgt für verbesserten Lärm- und Emissionsschutz für die Anwohner.
Neues Umspannwerk ohne SF6
Mit dem neuen Umspannwerk auf dem Werksgelände leistet Feralpi erneut Pionierarbeit. In einem Stahlwerk wurde hier erstmals eine gasisolierte Schaltanlage von Siemens Energy installiert, bei der ein neuartiges Isolationskonzept zum Einsatz kommt. Dadurch kann der Einsatz von Schwefelhexafluorid (SF₆), dem stärksten bekannten Treibhausgas, und anderen Fluoriden vollständig vermieden werden. Die neuartige Schaltanlage bei Feralpi Stahl arbeitet mit Clean Air. „Clean Air” besteht aus den rein natürlichen Gasen Stickstoff (80 %) und Sauerstoff (20 %). Dadurch wird die Entstehung und das Austreten von giftigen Nebenprodukten bei Schaltvorgängen verhindert und sogar ein Treibhauspotenzial von Null erreicht (Global Warming Potential (GWP) = 0).
Das Umspannwerk punktet jedoch nicht nur mit einer hochmodernen Schaltanlage. Das Herzstück sind sechs verlustarme Transformatoren. Deren Fertigung erfolgte im Transformatorenwerk von Siemens Energy in Dresden. Damit entstanden wesentliche Teile des Umspannwerks in Dresden bzw. Berlin – auch das ist eine bewusste Entscheidung für die Wertschöpfung in der Region und für kurze, nachhaltige Lieferstrecken. Eine von Grund auf neue Planung der Logistik auf dem gesamten Werksgelände stellt sicher, dass die Werkslogistik auch bei steigenden Absatzzahlen optimal aufgestellt ist und die Belastung der Anrainer gleichzeitig möglichst gering bleibt.
Fotos: Feralpi Group