Daten gelten als die Währung des 21. Jahrhunderts für eine höhere Effizient und mehr Innovationen in der Wirtschaft. Die Datenhoheit soll in dem Zusammenhang die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit und die faire Einsetzbarkeit der Daten erhöhen. In der produzierenden Industrie wird im Zeitalter von Industrie 4.0 beispielsweise die individualisierte Fertigung auf Basis von spezifischen Daten für die Kundenbindung immer wichtiger. Der Zugang zu relevanten und qualitativ hochwertigen persönlichen Daten bei vollem User Consent wird essenziell für Unternehmen.
Der Beitrag stammt aus der Titelstrecke „Industrie 4.0“ in Ausgabe 6/22 von stahl + eisen. Autoren sind Dr. Michael Giese und Alexander Sieverts, Gründer und Geschäftsführer des Münchner Technologieunternehmens itsmydata. Das Start-up strebt eine faire Datenökonomie an, die für alle an der digitalen Wirtschaft und am Datenaustausch gewinnbringend sein soll.
Die Menge an verfügbaren Daten und Informationen durch intelligente Maschinen, Sensoren, Finanztransaktionen, Social Media und viele andere Quellen nimmt exponentiell zu. Daten gelten daher als die herausragende Währung des 21. Jahrhunderts und das neue Gold, mit steigender Tendenz: Die weltweite Datenmenge soll bis 2025 um circa 27 Prozent pro Jahr auf 175 Zettabyte steigen, meldet der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft. Somit gewinnt die sogenannte Datenökonomie immer mehr an Bedeutung. Konkret ist dabei laut der Bundeszentrale für politische Bildung der Einfluss der Daten auf die Wirtschaft als Ganzes zu betrachten, was personenbezogene und nicht personenbezogene Daten einschließt. „Wertschöpfungsketten im Bereich der Datenökonomie umfassen die Generierung, die Sammlung, die Speicherung, die Verarbeitung und Analyse bis hin zur abschließenden Verwertung oder Löschung der Daten, heißt es weiter.“ Unter anderem geht es dabei auch um Produkt-Customization, wodurch der Einzelne und seine Daten zunehmend in die industriellen Prozessketten eingewoben werden.
Datengesteuerte Kultur fördert die kontinuierliche Leistungsverbesserung
Bei der Unternehmensberatung McKinsey heißt es zur Datenökonomie: „Nahezu alle Mitarbeiter nutzen Daten ganz selbstverständlich und regelmäßig zur Unterstützung ihrer Arbeit. Anstatt Probleme standardmäßig durch die Entwicklung langwieriger – manchmal mehrjähriger – Pläne zu lösen, sind sie in der Lage zu fragen, wie innovative Datentechniken Herausforderungen innerhalb von Stunden, Tagen oder Wochen lösen können. Unternehmen sind in der Lage, bessere Entscheidungen zu treffen und grundlegende alltägliche Aktivitäten und regelmäßig anfallende Entscheidungen zu automatisieren. Die Mitarbeiter können sich auf ‚menschlichere‘ Bereiche wie Innovation, Zusammenarbeit und Kommunikation konzentrieren. Die datengesteuerte Kultur fördert die kontinuierliche Leistungsverbesserung, um ein wirklich differenziertes Kunden- und Mitarbeitererlebnis zu schaffen und das Wachstum anspruchsvoller neuer Anwendungen zu ermöglichen, die heute noch nicht allgemein verfügbar sind.“ Übertragen auf die produzierende Industrie heißt das zum Beispiel, dass Unternehmen durch die Verbindung von Kunden, Maschinen und Unternehmen ein neues Kundenerlebnis durch intelligente Maschinen schaffen können. Das zeigt die Bedeutung eines sogenannten „data-driven enterprise“, also des datengetriebenen Unternehmens, gerade im Vergleich zum heutigen Stand. Unternehmen wenden derzeit laut McKinsey datengesteuerte Ansätze – von prädiktiven Systemen bis hin zu KI-gesteuerter Automatisierung – häufig nur sporadisch an, wobei vorhandene Werte nicht genutzt und Ineffizienzen entstehen würden. Viele Unternehmensprobleme sollten immer noch mit traditionellen Ansätzen mit viel Zeitaufwand gelöst werden.
Persönliche Fertigung in direkter Kundenansprache realisieren
Auch die Stahlindustrie und angrenzende Branchen sind Fragen zum Umgang mit Daten zu einem entscheidenden Faktor geworden. Der Maschinenbau beispielsweise entwickelt sich durch die Möglichkeiten und den Einsatz der Digitalisierung immer mehr in Richtung kleiner Losgrößen bis hin zu persönlichen Produkten. So werden Maschinen und Prozesse konzipiert, die einerseits eine persönliche Fertigung etwa in Form vom 3D-Druck für Prothesen, Zahnersatz oder schwer zu beschaffender Ersatzteile in direkter Kundenansprache realisieren, oder die andererseits große Fertigungsstraßen über Industrie 4.0 in Prozesslandschaften hin zur quasi Individualfertigung öffnen, mit denen etwa Autos auf Kundenwunsch montiert werden. Dabei werden alle Prozessvorteile der Massenfertigung genutzt, die nichts mit dem berühmten Satz von Henry Ford zu seinem günstigen Automobil „Tin Lizzy“ für den Massenmarkt zu tun haben: „Sie können einen Ford in jeder Farbe haben, Hauptsache er ist schwarz.“
Die richtigen Datenprozesse und Schnittstellen anbieten
Diese Individuallogik in der Fertigung hat auch Konsequenzen für das Datenmanagement in der produzierenden beziehungsweise stahlverarbeitenden Industrie. Diese Maschinen oder Prozesse müssen mit personengebundenen Daten gespeist werden, um die Kundenwünsche umzusetzen. Hersteller müssen also darauf achten, dass die Käufer ihrer Maschinen und Anlagen auch die nötige IT und Softwareausstattung erhalten, um der Forderung der Datensouveränität der Endkunden gerecht zu werden. Das bedeutet, dass die Hersteller von Anlagen oder Maschinen sich in die (Öko-)Systeme der Käufer und Betreiber ihrer Produkte hineindenken und die richtigen Datenprozesse und Schnittstellen anbieten müssen. In den Systemen der Betreiber spielen die Kundendaten eine erhebliche Rolle, allerdings nicht wie vor der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO als bloße Bestelldaten, sondern jetzt als personengebundene Informationen, die richtig verwaltet werden müssen, und die im digitalen Marketing einen entscheidenden Unterschied in der Kundenbeziehung machen. Schließlich ist es von großem Vorteil, die Kundenwünsche erstens zu erkennen und zweitens die Kunden datensouverän und respektvoll zu behandeln, damit die Kunden auch Kunden bleiben.
Effiziente Datennutzung für mehr Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
Hinzu kommt, dass die Systeme der Betreiber mögliche Querverbindungen oder erweiterte Services bieten, dass die Kundendaten zum Beispiel auch aus den 3D-Druckmaschinen, wann was genau bestellt, geändert, aufgebaut etc. wurde auch an andere Einheiten fließen können, die etwa einen Wartungsservice bieten, bevor etwas beschädigt wird oder ein Defekt eintritt. Ein Beispiel: Für Kunden könnte es wichtig sein, die Bestelldaten für eine Zahnkrone zu managen, damit etwa ein Dritter diese Krone im Notfall nochmals herstellen kann. Das wäre mittels Datenübertragung möglich und würde zu mehr Kundenzufriedenheit und Kundenbindung führen. So geht es auch bei Maschinen und Anlagen darum, dass diese Objekte eingepasst werden können in Datensysteme, die die Kundendaten so verarbeiten, dass a) Transparenz der Datenverwendung herrscht b) die Daten sicher aufgehoben sind und c) der Kunde bestimmen kann, wie lange und wofür seine Daten eingesetzt werden. Das führt dazu, dass das Unternehmen die Daten für den Kunden und seinen Komfort und, wenn der Kunde es erlaubt, auch für die weitere eigene Entwicklung einsetzen kann.
Verbesserung der digitalen Souveränität für deutsche Wirtschaft hat hohe Bedeutung
Eng damit verbunden ist der Begriff der Datenhoheit. Das bedeutet für den Einzelnen und jede Organisation also, selbst zu entscheiden, wer wann und wo welche Daten finden, verwenden und weitergeben darf. Das soll den Datenmissbrauch durch Dritte einschränken und die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit erhöhen. User Consent, also die Zustimmung des Nutzers zur Datenverwendung, ist das Stichwort. Immer mehr Expertinnen und Experten betrachten Datenhoheit als zentrales Gut des 21. Jahrhunderts für eine freiheitliche, selbstbestimmte Gesellschaft. Eine neue Studie „Digitale Souveränität“ des ZEW Mannheim im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zeigt auch: Die Stärkung der digitalen Souveränität und der Datenhoheit von Unternehmen sind zentral für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Und: Der Verbesserung der digitalen Souveränität für die deutsche Wirtschaft messen rund 70 Prozent der Unternehmen langfristig eine hohe Bedeutung bei. Die Datenhoheit, also Herr über die eigenen Daten zu sein, ist ihnen dabei besonders wichtig, heißt es mit Bezug zur Studie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi).
Transparentes System für fairen und effizienten Datenaustausch
Es geht also auch im Maschinenbau an der Schnittstelle von Datenökonomie und Datenhoheit darum, die richtigen Fragen zu stellen. Welche Daten haben wir und welche Daten brauchen wir? Und wie können wir diese Datenquellen heben, ohne die Datenhoheit unserer Kundinnen und Kunden anzugreifen oder uns rechtlichen Verstößen auszusetzen? Um diesen Anforderungen zu entsprechen, benötigen Unternehmen eine professionelle technologische Infrastruktur und ein transparentes System für fairen und effizienten Datenaustausch. Zudem müssen die zielgerichtete Analyse und Bewertung der erhobenen Daten sichergestellt sein. Es kann daher Sinn ergeben, für den Aufbau der Infrastruktur und das Sammeln und Auswerten der Daten einen darauf spezialisierten Partner einzubinden. Dieser unterstützt dabei, die richtigen Daten für den richtigen Anlass zu erheben und rechtskonformes Verhalten zu gewährleisten. Ebenso ist es wichtig, ein professionelles Ökosystem zur Datensouveränität aufzubauen, um Datenprozesse mit Endkunden so zu gestalten, dass aus diesen Verbindungen echte Win-Win-Win-Situationen werden: für die Kunden, die Betreiber der Maschinen und für deren Hersteller. Nicht zuletzt verstehen Industrieunternehmen erst durch die Endkundendaten die Bedürfnisse von heute und können so auch die Markterfordernisse von morgen angehen.