Unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie hat das britische Beratungsunternehmen MEPS die aktuelle Lage der globalen Stahlindustrie zusammengefasst. Die Zahlen deuten auf eine schwere Rezession hin. Zwei Drittel des gegenwärtigen Produktionsverlustes dürfte die Schwerindustrie im kommenden Jahr aber wieder herstellen können.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat kürzlich seine Prognosen für das Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert. Für das Jahr 2020 hat die Organisation einen Rückgang des globalen Bruttoinlandproduktes (BIP) um drei Prozent prognostiziert. Für die Industrieländer wird mit 6,1 Prozent ein noch größerer Rückgang erwartet. Der Euroraum dürfte mit einem prognostizierten Rückgang um 7,5 Prozent zu den schwächsten Regionen gehören.
Europa am stärksten betroffen
Die Rohstahlproduktion der EU ging im ersten Quartal 2020 im Jahresvergleich um zehn Prozent zurück. So verkündet es das britische Stahl-Beratungsunternehmen MEPS in einer aktuellen Pressemitteilung. Für das Trimester April/Juni soll die Produktion weiter fallen, um fast 30 Prozent. Die erwartete Gesamtmenge werde MEPS zufolge auf kanpp 30 Millionen Tonnen prognostiziert – im Vergleich zur Großen Rezession 2009 ein neuer Tiefstpunkt.
Nordamerika hingegen liegt in der Zeitachse der Auswirkung des Coronavirus hinter Europa. Während die EU einen zweistelligen prozentualen Rückgang verzeichnete, ging die nordamerikanische Rohstahlproduktion im Zeitraum Januar/März lediglich um 3,6 Prozent zurück, so MEPS. Für das zweite Quartal 2020 werde wiederum ein Rückgang von mehr als 20 Prozent im Jahresvergleich prognostiziert.
MEPS: „China von robuster Inlandsnachfrage abhängig“
Die Stahlproduktion in China blieb in den ersten Monaten dieses Jahres hoch. Sie stieg im ersten Quartal um 1,3 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2019. Der Jahresausstoß von fast einer Milliarde Tonnen werde den Prognosen zufolge im laufenden Jahr nur geringfügig unter dem des Vorjahres liegen, sagt MEPS. Ein Wachstum der Stahlexporte werde schwer zu erreichen sein. Foglich sei die Volksrepublik von einer robusten Inlandsnachfrage abhängig, um die chinesische Stahlproduktion mittelfristig zu schützen.
Die Prävalenz von Infektionen durch das Coronavirus und die anschließenden Sperrmaßnahmen sind in den Ländern Ost- und Südasiens unterschiedlich stark ausgeprägt. Nichtsdestotrotz wurde die lokale Stahlnachfrage erheblich negativ beeinflusst. Darüber hinaus gehen die Exporte von Stahl und stahlintensiven Gütern zurück. Infolgedessen wird die Produktion in den großen Stahl erzeugenden Ländern wie Japan, Südkorea, Taiwan und Indien zurückgefahren.
Die MEPS prognostiziert, dass die weltweite Rohstahlproduktion bis 2020 auf 1,8 Milliarden Tonnen sinken wird. Dies entspricht einem Rückgang von 75 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Dabei dürften zwei Drittel dieses Produktionsverlustes im nächsten Jahr wieder aufgeholt werden – vorausgesetzt das Virus werde eingedämmt und weitere Schutzmaßnahmen blieben aus. „Die prognostizierte Produktionsmenge von 1,85 Milliarden Tonnen im Jahr 2021 hängt aber auch von der Effizienz der Finanz- und Geldpolitik ab, um die angeschlagenen Volkswirtschaften zu unterstützen und einen anhaltenden Abschwung abzuschwächen“, heißt es bei MEPS.
Erholung in Sicht?
Eine Erholung der weltweiten Stahlproduktion hänge in erster Linie von einer Belebung der Marktnachfrage ab, so MEPS. In vielen Ländern beginnen die Behörden damit, ihre Beschränkungen allmählich zu lockern. Es besteht die Möglichkeit, dass die stahlintensiven Industrien zumindest anfänglich schneller wieder aufleben, verglichen mit einer Reihe anderer Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel. Ein weiterer Vorteil: Die Automatisierung in der modernen Fertigung unterstützt die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen, wie etwa Abstandsregelungen.
Ein langsamer Aufschwung werde auch für die Hersteller von Maschinen und Ausrüstungen erwartet. Die Wiederaufnahme der Produktion in diesem Sektor finde bereits statt, so MEPS, jedoch mit einer geringen Kapazitätsauslastung. Das weltweite Investitionsniveau werde erwartungsgemäß aber auch in naher Zukunft schwach bleiben.
Auch hätte sich langfristig die Möglichkeit ergeben, die Struktur der bestehenden Lieferketten neu zu bewerten. MEPS sieht hierin die Chance einer geringeren Abhängigeit von Importen aus Drittländern. „Ein stärker lokalisiertes Netzwerk von Teilelieferanten hat das Potenzial, mehr Sicherheit zu bieten – insbesondere in Krisenzeiten“, schreiben die Berater.
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Quelle: MEPS, Foto: Shutterstock