Die additive Fertigung ist quer durch die verschiedenen Industrien so aktuell wie zukunftsträchtig. Mit ihr lassen sich Teile erzeugen, bei denen traditionelle Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Philipp Mayer hat sich mit seinem Unternehmen auf Lösungen für das „Industrial Internet of Things“ spezialisiert und dabei auch den 3D-Druck im Blick, da er sich mit dem digitalen Workflow der additiven Fertigung in der Gießereibranche beschäftigt. Dieser Beitrag über die Zusammenarbeit seines Unternehmens Codestryke mit ExOne ist damit der vielzitierte „Blick über den Tellerrand“.
Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 11/20 von stahl + eisen. Sie wollen alle Fachtexte in voller Länge lesen? Schließen Sie doch ein Abonnement ab.
Die additive Fertigung nimmt mittlerweile einen festen Platz in der Gießerei-Industrie ein. Mit ihr lassen sich Sandformen für hochkomplexe und leichte Gussteile erzeugen, bei denen konventionelle Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Beim Druck fallen wertvolle Daten an. Sie lassen sich in einem digitalen Workflow für die Produktionsplanung und -überwachung, die Qualitätssicherung oder neue Service- und Abrechnungsmodelle nutzen. Speziell im Prototypenbau, bei kleinen Losgrößen oder komplexen Teilen kann der 3D-Druck seine Stärken ausspielen. Im Binding-Jet-Verfahren entstehen nach CAD-Daten aus Sand und Bindemittel im Schichtbau Formen oder Kerne. In konventionellen Verfahren ließen sie sich nur mit deutlich größerem finanziellen und zeitlichen Aufwand realisieren – wenn überhaupt.
Wertvolle Produktionsdaten
Im gesamten, weitgehend analogen Produktionsprozess aber bilden diese Druckmaschinen meist digitale Inseln, die das wahre Potenzial der Technologie nicht annähernd ausschöpfen. Denn die beim Druck anfallenden Daten liefern wichtige Informationen über den Zustand der Maschinen und der Formen, die in der analogen Welt praktisch ungenutzt bleiben mussten. „Erst in einem komplett digitalen Workflow lässt sich dieser Datenschatz in Form von konkreten Business Outcomes heben“, so der Digitalisierungsexperte Philipp Mayer. Mit seinem Unternehmen codestryke hat er sich auf die Generierung von Mehrwerten in der Industrie 4.0 spezialisiert. Sein Prinzip: „Digitalisierung sollte kein Selbstzweck sein, sondern sich in Umsatz und Gewinn spiegeln“.
Gemeinsam mit ExOne, einem weltweit führenden Hersteller industrieller 3D-Drucker mit Binder-Jetting-Technologie, haben Mayer und sein Team die Industrie 4.0-App ExOne Scout entwickelt. Sie macht die Daten aus dem Drucker über die Cloud verfüg- und verwertbar. Sie ist kompatibel mit allen ExOne-Neuentwicklungen mit Siemens-Steuerung. Dazu zählen der X1 160Pro für den Druck von Bauteilen aus Metall-, Keramik- und Verbundwerkstoffen und der S-Max Pro, mit dem sich Sandformen und Kerne für Metallgussteile herstellen lassen, die unter anderem in der Luft- und Raumfahrt oder der Automobilindustrie Verwendung finden.

Das „Industrial internet of Things“ (IIoT) vernetzt alle Sensoren. Das erlaubt auch den App-Zugriff auf die Daten via Smartphone oder Tablet.
Mobile Echtzeitüberwachung
Betreiber dieser Drucker können über die Scout-App standortunabhängig die Maschinen und den Formdruck in Echtzeit überwachen. Die Sensordaten werden in die Cloudumgebung der Siemens Mindsphere übertragen und dort verwaltet. Der Nutzer erhält Push-Benachrichtigungen über den Auftragsstatus, die Druckkopfgeschwindigkeit, Flüssigkeitsstände, Temperatur, Feuchtigkeit und andere verwertbare Produktionsdaten auf den PC, das Tablet Smartphone oder Smartwatch.
Bei Abweichungen von definierten Sollwerten verkürzt sich die Reaktionszeit erheblich. Stillstandzeiten sinken auf ein Minimum. Über Reportings und Dokumentationsmöglichkeiten lassen sich wichtige Kennziffern für die Qualitätssicherung abrufen und archivieren. „Auch wenn der aktuelle Funktionsumfang schon einen erheblichen Effizienzgewinn bringen wird, sind weitere Anwendungen geplant, um auch die vor- und nachgelagerten Prozessschritte sukzessive digitalisieren zu können“, wirft ExOne-Entwickler Michael Fischer einen Blick in die Zukunft. Derzeit arbeitet sein Team unter anderem an der Überwachung und Analyse von Schichten per Kamera und KI-gestützten Funktionalitäten.
Optimierte Auslastung
Die Transparenz bringt nicht nur ein Höchstmaß an Prozesssicherheit, sondern erleichtert auch die Produktionsplanung. Aus den Daten zurückliegender Jobs lassen sich Prognosen für künftige Drucke ableiten. Ebenso lassen sich so Schicht- und Produktionspläne optimieren. Stillstände, weil beispielsweise ein Druckjob in der Nacht endet und die Maschine erst am folgenden Vormittag wieder läuft, gehören damit der Vergangenheit an. Auch das Pooling von Aufträgen lässt sich so genauer takten, was die Auslastung und damit die Rentabilität der Maschine erhöht.
Start der digitalen Reise
Durch die Anbindung an die Cloud kann der Druckerbetreiber die Daten auch Dritten zugänglich machen. Daraus ergeben sich interessante Perspektiven für künftige Anwendungen, die in anderen Branchen und Unternehmensbereichen teilweise heute schon Realität sind. So kann der Maschinenhersteller auf Basis von Sensordaten Aussagen über den Anlagenzustand oder anstehende Service-Arbeiten treffen und im laufenden Betrieb Maßnahmen in die Wege leiten. Das Stichwort lautet „Predictive Maintenance“, also vorausschauende Wartung. Der Bedarf an Sand und Bindemittel kann anhand realer Verbrauchsdaten exakt erfasst, die Materiallieferungen just in time automatisiert werden. Selbst nutzenbasierte Abrechnungsmodelle (Pay-per-Use), bei denen nicht der Drucker selbst bezahlt wird, sondern dessen Nutzung, können mithilfe der Verbrauchs- und Maschinendaten realisiert werden. Die Perspektiven für den digitalen Workflow in der additiven Fertigung sind vielfältig: „3D-Drucker können das Herzstück einer komplett digitalen Fertigung bilden. Die Anbindung an die Cloud ist der Start der digitalen Reise“, so Eric Bader, Managing Director ExOne.
Weiterlesen: Ein Interview mit Philipp Mayer von codestryke finden Sie hier.