Warum das Osterpaket und ein Round Table mit der Industrie die erneuerbaren Energien nicht allein voranbringen, erläutert Thomas Schoy. Er ist Mitinhaber und Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Privates Institut.
Der Beitrag stammt aus Ausgabe 5/22 von stahl + eisen.
Was braucht die Energiewende, um ihren Durchbruch zu erleben? Eine funktionierende Industrie mit ausreichend Produktionskapazitäten für Wind- und Sonnenenergie – am besten auf europäischem Boden. Denn der Energiehunger ist immens: Deutschlands Nummer Eins thyssenkrupp Steel Europe – um nur ein Beispiel zu nennen – will bis 2045 nur noch klimaneutralen Stahl herstellen, was allein für den in Duisburg erzeugten Stahl viereinhalb mal so viel Strom verbraucht wie die Stadt Hamburg benötigt. Die Erneuerbaren Energien müssen zukünftig aber nicht nur die Elektrolichtbogenöfen oder Wasserstoffelektrolyseure der Terawatt verschlingende Eisen- und Stahlindustrie mit genügend Energie versorgen, sondern auch alle anderen Verbraucher. Das hat auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei den Gesprächen mit Wirtschaftsvertretern erkannt. Welche handfesten Schlüsse das Bundeswirtschaftsministerium daraus zieht, bleibt bisher noch offen.
Die Erneuerbaren Energien sind ab nächstes Jahr fest im Gesetz verankert, wie sich die Ziele aber schlussendlich erreichen lassen, das steht auf einem anderen Blatt. Positiv hervorzuheben ist, dass das Ministerium einerseits erkannt hat, dass wir in Deutschland unseren Vorsprung als Vorreiter der Technologien, besonders der Photovoltaik (PV), verspielt haben und andererseits, dass industriepolitische Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um die PV-Produktion hierzulande wieder hochzuziehen. Was passiert nun durch dieses politische Anschieben mithilfe der EEG-Novelle? Der sowieso schon vorhandene Engpass bei der Produktion der Module verschärft sich weiter. Gleichzeitig scheint es kaum schaffbar, innerhalb so kurzer Zeit – das Gesetz tritt Anfang 2023 in Kraft – einen ganzen Industriezweig so fit zu machen, dass dieser wettbewerbsfähig mit ausländischen Produzenten konkurrieren kann. Ohne Berücksichtigung dieser Tatsache sehe ich uns – zumindest bei der PV – bereits in einem festzementierten Abhängigkeitsverhältnis mit China.
Habeck hebt auf zwei Problemfelder ab
Was braucht es nun, um die Anreize zu schaffen, damit Europa und die Bundesrepublik wieder eine eigene Produktion aus- beziehungsweise aufbaut? Hier hebt Habeck besonders auf zwei Problemfelder ab: die Genehmigungsverfahren und die Sicherheit durch Auftragserteilung. Beide Felder sehe auch ich als essenzielle Grundlagen für das geplante Vorhaben. Theoretisch müssten bereits jetzt Kommunen und Länder Flächen ausweisen, damit Unternehmen planen können. Richtigerweise handelt es sich bei den Genehmigungsverfahren um einen der Flaschenhälse der Branche. Hier nun das Personal in den Behörden aufstocken zu wollen, halte ich für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Denn der Bau von Photovoltaikanlagen und Windkraftwerken ist zwingend an Genehmigungen gebunden.
Dabei können von der Identifizierung geeigneter Flächen bis hin zur Baugenehmigung immerhin zwischen zwei und drei Jahre vergehen. Während des kostspieligen und zeitintensiven Bauleitplanverfahrens ist nie auszuschließen, dass die Träger öffentlicher Belange Auflagen diktieren, die das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen zum Scheitern verurteilen oder Bedenken anmelden, die dazu führen, dass das Projekt als nicht genehmigungsfähig eingestuft wird.
Es braucht Sicherheiten in den Auftragslagen
Was Habeck ebenso erkannt hat: Es braucht Sicherheiten in den Auftragslagen. Eine echte Konsequenz daraus wurde bisher aber nicht gezogen. Allein den Genehmigungsprozess für PV oder Windkraftwerke zu beschleunigen, reicht nicht. Habeck betont richtigerweise, dass die gesetzlichen Bedingungen, die mit der EEG-Novelle geschaffen werden, sich nun auch in den Auftragsbüchern der Unternehmen niederschlagen müssen. Wie dies aber gelingen soll, wenn selbst die klassische Finanzierung solcher Vorhaben über Banken sich in der heutigen Zeit zu einer echten Mammutaufgabe entwickelt hat, bleibt offen. Vorstellbar wären etwa Bürgschaften, so das Bundeswirtschaftsministerium – Lippenbekenntnisse allein helfen der Branche allerdings nicht.
Die momentanen Entwicklungen machen einen überhasteten Eindruck; bislang fehlt ein industriewirtschaftlicher Plan. Dabei kommt das Thema Finanzierung wie ein Randthema daher, handelt es sich doch um die Achillesferse der PV-Branche. Hier gilt es anzusetzen und bessere Bedingungen zu schaffen. Denn Unternehmen wollen investieren und ihren Beitrag zur Energiewende leisten – nur muss es ihnen auch möglich sein. Ohne wettbewerbsfähige Industrie auf europäischem Boden sehen die Zeiten trotz Sonnenergie auch für die Schwerindustrie eher düster aus.