Mehr und mehr Unternehmen müssen sich erweiterten Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterwerfen. Mit der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen sich kapitalmarktorientierte kleine Unternehmen und alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden Nachhaltigkeitsinformationen im Sinne der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) offenlegen. Was müssen (mittelständische) Industrieunternehmen also tun, um diese Berichtspflichten hinsichtlich Nachhaltigkeit zu erfüllen?
Der Beitrag stammt aus Rubrik Recht + FInanzen der Ausgabe 2/23 von stahl + eisen. Er ergänzt das Titelthema rund um „Green Steel“. Autorin ist Patricia Moock, Mitgründerin und Geschäftsführerin, 4L Impact Strategies.
Nachhaltigkeit ist das herausragende Thema des 21. Jahrhunderts, auch im Sinne der Unternehmensführung. Daher steht die Corporate Sustainability für die Umsetzung einer Geschäftsstrategie, die sich auf die ethischen, sozialen, ökologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Dimensionen der Geschäftstätigkeit konzentriert. Die Corporate Sustainability beschreibt somit den Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens wird künftig seine Erfolgsbilanz maßgeblich bestimmen. Daher besteht übergeordnet eine Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsstrategie, das ist kein Nice-to-have, sondern ein Must-have.
Dazu gehören vor allem im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit, die Vermeidung von Klimarisiken und die Implementierung umweltfreundlicher Praktiken im Unternehmen. Gerade der ökologische Aspekt ist in der Stahlindustrie im Speziellen und in Industrie/Gewerbe im Allgemeinen sehr wichtig. So stammen beispielsweise 75 Prozent der Emissionen in der EU laut der EU-Kommission aus der Erzeugung und dem Verbrauch von Energie. Deshalb ist ein schnellerer Übergang zu umweltfreundlicheren Energiesystemen von grundlegender Bedeutung.
Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage festhalten
Und über diese Nachhaltigkeitsleistungen wiederum müssen mehr und mehr Unternehmen Rechenschaft ablegen. Durch den Entwurf zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU-Kommission müssen ab 2024 auch viele nicht kapitalmarkt-orientierte Unternehmen über soziale und ökologische Aspekte reporten und die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens festhalten. Damit steigt die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen Schätzungen zufolge EU-weit von 11.600 auf 49.000. Zunächst sind Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften mit ausschließlich haftungsbeschränkten Gesellschaftern zur Berichterstattung nach der CSRD verpflichtet, wenn sie
- bilanzrechtlich große Unternehmen,
- bilanzrechtlich kleine und mittlere Unternehmen mit Kapitalmarktorientierung oder
- Drittstaatenunternehmen mit 150 Millionen Euro Umsatz in der EU sind, deren Zweigniederlassungen mehr als 40 Millionen Euro Umsatz erreichen.
Und ab 2024 müssen auch nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen über soziale und ökologische Aspekte reporten, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
- Bilanzsumme größer als 20 Millionen Euro;
- Nettoumsatzerlöse mehr als 40 Millionen Euro;
- Zahl der Beschäftigten mehr als 250
Die CSRD soll bestehende Lücken bei den Berichtsvorschriften schließen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung insgesamt ausweiten. Ziel ist es, die Rechenschaftspflicht europäischer Unternehmen über Nachhaltigkeitsaspekte zu erhöhen und erstmals verbindliche und einheitliche Berichtsstandards auf Ebene der EU einzuführen.
Nachhaltigkeitsberichterstattung muss künftig extern geprüft werden
Das wird demnach eine große Zahl auch mittelständischer Industriebetriebe betreffen – es ist also dringend geboten, sich mit den Vorschriften auseinanderzusetzen und die CSRD-Berichtspflichten frühzeitig vorzubereiten. So sind Unternehmen beispielsweise verpflichtet, über die Auswirkungen des Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt und die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen zu berichten. Darüber hinaus müssen Unternehmen berichten, inwiefern Nachhaltigkeit in der Strategie des Unternehmens Berücksichtigung findet. Ebenso muss die Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig extern geprüft und als Teil des Lageberichts ausgewiesen werden.
Das ist für viele Unternehmen mit internen Ressourcen auf den ersten Blick schwer zu stemmen. Risikoanalyse, Resilienzanalyse des Geschäftsmodells, Datenerhebung, die Erstellung einer Wesentlichkeitsanalyse und die Auswertung und Darstellung sämtlicher Nachhaltigkeitsinformationen sind mit großem Aufwand verbunden und benötigen vor allem tiefgehende Kenntnisse rund um die relevanten ökologischen Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Ökosysteme, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft. Dazu kommen weitreichende Anforderungen für Themen aus den Bereichen Soziales und Governance, um dem Nachhaltigkeitsdreieck aus „People, Planet, Profit“ zu entsprechen.
Kommission legt Mindeststrafarten und Prozessvorgaben bei der Strafermittlung
Durch professionelle Beratung wird somit also einerseits eine tragfähige Risikobewertung für Unternehmen hergestellt, und auf der anderen Seite Rechtssicherheit vermittelt. Kommt ein berichtspflichtiges Unternehmen der Pflicht zur Veröffentlichung der Informationen nicht nach, legte der Vorschlag der Kommission Mindeststrafarten und Prozessvorgaben bei der Strafermittlung fest: eine öffentliche Erklärung, in der die Verantwortlichen und die Art des Verstoßes genannt werden; eine Anordnung, mit der die verantwortliche natürliche oder juristische Person aufgefordert wird, das den Verstoß darstellende Verhalten einzustellen und von einer Wiederholung dieses Verhaltens abzusehen; behördliche Bußgelder.
Die Inhalte der Corporate Sustainability Reporting Directive sind in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) als neuem EU-Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichte definiert. Am 24. November 2022 hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) die von der EU-Kommission beauftragte Entwicklung der ESRS abgeschlossen. Die Kommission will diese als verpflichtende Verordnungen im Juni 2023 veröffentlichen. Die ESRS sollen die Nachhaltigkeits- und Umwelt-/Sozialberichterstattung von Unternehmen in der EU genauer, einheitlicher, konsistenter, vergleichbarer und standardisierter machen. Das birgt nicht nur Vorteile für die Stakeholder, sondern dient Unternehmen als Orientierungshilfe bei der Anwendung der CSRD.
Nachhaltigkeit frühzeitig, sicher und zuverlässig in die eigene Strategie integrieren
Beobachter betonen, dass damit ein zusätzlicher großer Aufwand auf Unternehmen zukommt, sodass Unternehmen idealerweise auf externe Beratung setzen sollten. So können Unternehmen die Chancen der nachhaltigen Transformation erkennen. Es geht darum, Nachhaltigkeit frühzeitig, sicher und zuverlässig in die eigene Strategie zu integrieren und damit jetzt und in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum einen erwarten auch industrielle Kunden eine messbare Nachhaltigkeitsleistung ihrer Partner, die auch bei der Positionierung hilft, und zum anderen werden eben die rechtlichen Vorschriften immer enger, man denke an das EU-Maßnahmenprogramm „Fit for 55“ und die EU-Taxonomie.
Gute interne Prozesse und Strategien können also den administrativen Aufwand im Umgang mit allen Nachhaltigkeitspflichten deutlich senken, auch im Hinblick auf die Entwicklung des European Single Access Point (ESAP). Dieser soll künftig den einzigen Zugangspunkt für öffentliche Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen über EU-Unternehmen und EU-Anlageprodukte bieten und Unternehmen mehr Sichtbarkeit gegenüber Investoren verschaffen und mehr Finanzierungsquellen erschließen. ESAP wird auch nachhaltigkeitsbezogene Informationen enthalten.
Breites Feld für Beratungs- und Weiterbildungsangebote im Bereich der Nachhaltigkeit
Wichtig für Unternehmen ist, diese neuen Pflichten als Chancen zu erkennen und die Notwendigkeiten und Dringlichkeiten intern zu verankern. Damit steigt die Zukunftsfähigkeit durch regeneratives Wirtschaften. Gerade Industrieunternehmen haben einen großen Hebel und eine hohe Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung, die sich dann wiederum positiv auf die Mitarbeitenden auswirken kann. Das ist im Kontext von Fachkräftemangel und Recruiting besonders wichtig. Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Punkt im Wertewandel jüngerer Generationen und ein Teil der neuen Führungskompetenzen. Damit ergibt sich ein breites Feld für Beratungs- und Weiterbildungsangebote im Bereich der Nachhaltigkeit. Führungskräfte lernen die nötigen Kompetenzen, um diese Transformation im Unternehmen erfolgreich zu begleiten, und die Mitarbeitenden brauchen Fachkenntnisse und die richtigen Werkzeuge, um die jeweilige Nachhaltigkeitsstrategie erfolgreich umzusetzen.
Nachrichten rund um Nachhaltigkeit finden Sie > hier.