Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ist nach Abrufzahlen die beliebteste nichtkommerzielle Website der westlichen Welt. Ihr offenes System lädt jedermann zum Mitschreiben ein – auch Mitarbeiter aus Unternehmen. Für sie ist das Engagement indes eine anstrengende Sache. Sie sollten die Nutzungsbedingungen vom Start weg kennen, ohne Lernkurve das Regelwerk für enzyklopädische Artikel beherrschen und sprichwörtlich ein dickes Fell haben, denn Teile der Community zeigen wenig Empathie für „bezahlte Schreiber“.
Der Beitrag erschien ursprünglich in Ausgabe 4/23 von stahl + eisen in der Rubrik Recht + Finanzen. Er ist ein zusätzlicher Teil des Artikels Kommunikation im Grenzbereich über die mögliche Mitarbeit von Unternehmen in der Online-Enzyklopädie Wikipedia und beleuchtet Aspekte, keinen Eingang in den Haupttext gefunden haben. Der Autor kommt aus der Redaktion.
In den vergangenen Monaten haben wir eine (nicht repräsentative) Auswertung der Arbeit von Agenturen in der Wikipedia vorgenommen. Das Ergebnis ist weitgehend ernüchternd. Wir sind vor allem auf PR-Agenturen jeglicher Größe gestoßen, die eigentlich andere Kompetenzen haben und anscheinend „nebenbei“ auch die Online-Enzyklopädie bedienen wollen. Die fehlende Erfahrung zeigt sich u.a. durch gesperrte Benutzerkonten, durch einstmals lange Werbetexte, nun streng auf enzyklopädisches Maß eingedampft, oder durch die noch radikalere Maßnahme, Artikel nach Diskussion oder umgehend ohne Diskussion zu löschen.
Ungereimtheiten bei Wikipedia-Agenturen
In einem zweiten Schritt haben wir mit einer Webrecherche nach spezialisierten Agenturen gesucht. Auch haben wir selbst eine Anfrage gestartet. Die Agenturen, die sich mit einer kurzen Google-Recherche finden lassen, sind vielfach mit Vorsicht zu genießen. Eine warb zwischenzeitlich recht aggressiv mit Google Ad Words und ist auch sehr professionell in ihrer Herangehensweise. Dass die offiziell bekannten Wikipedia-Konten der Agentur gesperrt sind, wird aber nicht erwähnt. Und wenn man ein wenig den spärlich genannten Referenzen nachgeht, fallen Ungereimtheiten auf. So wie es scheint, agieren erfahrene Nutzer für die Agentur, ohne es den Nutzungsbedingungen entsprechend offenzulegen. Das ist ein „No-Go“. Darüber hinaus sind wir auf mindestens eine Agentur gestoßen, die ihren Kunden untersagt, über die Geschäftsbeziehung zu reden. Das ist nicht koscher und natürlich verstoßen auch diese Dienstleister gegen die Pflicht, ihre Auftragsarbeiten deklarieren.
Auf fähige Berater, die das Regelwerk kennen und ihren Kunden auch klar den Unterschied zwischen Enzyklopädie und Marketing erklären, sind wir trotzdem gestoßen. Sie werben im Regelfall jedoch nicht offensiv, sondern werden auf Empfehlungsbasis aktiv.