Die wirtschaftliche Situation der Betriebe im Organisationsbereich der IG Metall hat sich weiter verschlechtert. 77 Prozent der Betriebe sind im Krisenmodus oder gar kompletten shut-down. Das sind 10 Prozentpunkte mehr als in der Erhebung, die die Gewerkschaft vor Ostern veröffentlicht hatte.
Damit zeigt sich deutlich, dass die anhaltende Krise im Fahrzeugbau und dem dort vorherrschenden weitgehenden Stillstand auf weitere Industriebranchen massive Auswirkungen hat. Im Umkehrschluss wird es vom Hochlauf des Fahrzeugbaus abhängen, wie lange und wie tief die Rezession der deutschen Industrie wirkt.
500.000 Beschäftigte von 100-prozentigem Arbeitsausfall betroffen
In Folge prägt Kurzarbeit die Beschäftigungssituation in weiten Teilen der Branchen. 70,4 Prozent der Betriebe haben Kurzarbeit für mindestens einen Teil ihrer Beschäftigten angemeldet. In diesen Betrieben arbeiten gut 2 Millionen Beschäftigte. Hier könnte mit dem Öffnen der Vertriebswege ein Rückgang der Kurzarbeit etwa im Kfz-Handwerk oder in der Textil- und Möbelindustrie erhofft werden.
Die Mehrzahl der Betriebe (1.668 Betriebe) plant Kurzarbeit für mehr als drei Monate, davon sind rund 717.000 Beschäftigte betroffen. Für gut eine Million Beschäftigte beträgt die geplante Dauer der Kurzarbeit bis zu drei Monate. Ob diese Zeitspanne ausreicht, ist aber ebenfalls von der weiteren konjunkturellen Entwicklung geprägt. 57 Prozent der Betriebe reduzieren die Arbeitszeit über 50 Prozent, das betrifft rund eine Million Beschäftigte. Kurzarbeit „Null“ haben dabei 27 Prozent der Betriebe, das betrifft rund 500.000 Beschäftigte. Bei letzterem Modell beträgt der Arbeitsausfall 100 Prozent. Das heißt, die Arbeit wird für eine vorübergehende Zeit komplett eingestellt.
Nur in einem Teil der Betriebe (61,6 Prozent) gibt es tarifvertraglich oder betrieblich vereinbarte Aufstockungen auf das Kurzarbeitergeld. Diese sind teilweise zeitlich befristet und reichen in 25 Prozent der Betriebe nur bis Juni dieses Jahres. Die jetzt beschlossene Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist daher dringend notwendig und hätte für viele Beschäftigte schon früher einsetzen müssen.
Die klare Orientierung auf Kurzarbeit trägt auch in dieser Krise zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit bei. Der Abbau von Stammbelegschaften spielt bisher nur für einen geringen Teil der Unternehmen eine Rolle, jedoch wurden in großem Umfang Leiharbeiter abgemeldet (37,5 Prozent), Werkverträge gekündigt (14,8 Prozent) und befristete Arbeitsverträge nicht verlängert (31,8 Prozent). Ein Signal der Zuversicht sendet die Angabe von einer sehr geringen Zahl von Betrieben (4,0 Prozent), die Anzahl der Ausbildungsplätze infolge der Corona-Krise reduzieren zu wollen. Die Position der IG Metall wird damit bestätigt: Die momentane Situation darf nicht dazu führen, Ausbildungsplätze abzubauen oder gar bestehende Verträge zu lösen.
Liquiditätshilfen müssen „schnell und unbürokratisch“ ankommen
Die Befragungsergebnisse zur Liquidität zeigen: In fast 10 Prozent gibt es bereits akute Engpässe. Dies betrifft rund 130.000 Beschäftigte. Das ist ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber der Befragung vom Monatsanfang. Weitere 15,1 Prozent der Betriebe rechnen damit in den kommenden vier bis sechs Wochen. Damit wären 220.000 Beschäftigte betroffen.
Für Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, ein Alarmsignal:
„Der Schritt der Bundesregierung, Liquiditätshilfen in großem Umfang bereitzustellen war richtig. Diese müssen nun schnell und unbürokratisch bei den Betrieben ankommen. Neben den Engpässen bei der Liquidität verstärkt sich aber Woche für Woche bei einigen Betrieben die Eigenkapitalschwäche. Hier muss der Wirtschaftsstabilisierungsfonds auch durch direkte Beteiligungen an Unternehmen stützen. Die IG Metall verfolgt daneben weiter das Ziel, über ergänzende Fondsmodelle Betriebe und Beschäftigte zu schützen. Insolvenzen und der Ausverkauf deutscher Industrieunternehmen muss soweit möglich verhindert werden.“
Die Befragung zeigt, wie sehr die Corona-Krise die Wirtschaft im Griff hat. Neben den Liquiditätshilfen führt mittelfristig auch an einem Konjunkturprogramm deshalb kein Weg vorbei. Jörg Hofmann: „Ein Konjunkturprogramm muss so zugeschnitten sein, dass zum Ende der Krise Wachstumsimpulse gesetzt und die ökologische Transformation vorangebracht werden. Da gibt es viel zu tun: Für die Mobilitäts- und Energiewende sind enorme Investitionen, vom Ausbau der Infrastruktur bis zu synthetischen Kraftstoffen und der Umstellung auf klimafreundliche Antriebe, nötig.“
Quelle, Foto: IG Metall