Ab dem 1. Juli 2020 treten neue Regelungen für die EU-Safeguards in Kraft. Für die WV Stahl steht fest: Die konjunkturellen Auswirkungen der Corona-Pandemie berücksichtigt die Neuregelung nur unzureichend.
Im Juni hatten die EU-Mitgliedstaaten einem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, die sogenannten „EU-Safeguards“ anzupassen. Dem zentralen Anliegen der Stahlindustrie sei man dabei nicht nachgekommen, schreibt etwa die Wirtschaftsvereinigung (WV) Stahl in einer aktuellen Pressemeldung. Diese forderte zuvor, die Kontingentmenge zu reduzieren, um eine erneute Stahl-Importkrise zu verhindern.
„Die EU-Kommission hat bei der Anpassung der Schutzmaßnahmen im Außenhandel nicht im erforderlichen Maß die konjunkturelle Situation in der Folge der Corona-Pandemie berücksichtigt“, so Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der WV Stahl. „Die EU-Safeguards verfehlen in dieser Form ihr angedachtes Ziel, die Stahlindustrie in Europa und die damit verbundenen Wertschöpfungsketten vor gravierenden Schäden zu bewahren“ bewertet er die geänderten Maßnahmen.
Anpassung der EU-Safeguards „wenig hilfreich“
Die Corona-Krise hat die Stahlnachfrage in Deutschland und der Welt drastisch einbrechen lassen. Während die Stahlunternehmen in Europa ihre Produktion krisenbedingt angepasst haben, wurde in anderen Regionen weiter produziert oder die Stahlerzeugung teilweise noch weiter ausgebaut. Die WV Stahl befürchtet, dass diese Mengen nun den europäischen Markt überschwemmen. „Wir erwarten, dass die Entwicklung der Stahlimporte eng überwacht und bei ersten Anzeichen einer Verschärfung der Importsituation Maßnahmen ergriffen werden, um die Stahlindustrie zu schützen“, so Verbandspräsident Kerkhoff.
Auch der europäische Stahlverband Eurofer hatte den Schutzvorschlag der EU-Kommission als „wenig hilfreich“ bezeichnet. In einem offenen Brief wiesen dessen Mitgliedsunternehmen auf den Umstand hin, dass die Stahlnachfrage seit Beginn der Corona-Pandemie im März um 50 Prozent gesunken ist. „In der Zwischenzeit haben Länder wie China, Indien, Indonesien und Russland keine Ruhepause eingelegt“, heißt es darin. „Der derzeitige Vorschlag könnte den Marktanteil der Importe massiv erhöhen, während ein großer Teil der Produktionskapazität der EU ungenutzt bleibt“, befürchtet Eurofer. Der Verband fordert, dass die EU-Kommission die Safeguards aufgrund veränderter Umstände anpasst und künftig krisenorientiert gestaltet.
WV Stahl: „Klimaneutrale Wirtschaft in ernsthafter Gefahr“
Gerade auch mit Blick auf die Transformation der Stahlproduktion hin zu CO2-armen Verfahren ist ein wirksamer Schutz im Außenhandel in den Augen der WV Stahl unverzichtbar. Dazu Kerkhoff: „Ohne ausreichenden Schutz vor Dumpingimporten und Handelsumlenkungen wird die Stahlindustrie nicht in der Lage sein, die gewaltige Aufgabe der Transformation, besonders vor dem Hintergrund der schweren Wirtschaftskrise, meistern zu können. Damit ist das zentrale Ziel des Green Deals, die Etablierung einer klimaneutralen Wirtschaft in Europa, in ernsthafter Gefahr. Denn erst die Umstellung auf CO2-arme Stahlproduktionsverfahren ermöglicht es stahlverarbeitenden Industrien, klimaneutrale Produkte für die Endverbraucher herzustellen.“
Quelle: WV Stahl, Foto: Shutterstock