Anlässlich des Tages der Industrie fordert BDI-Präsident Dieter Kempf: „Wir müssen aus dem Krisenmodus in den Zukunftsmodus umschalten.“ Der durch die Pandemie deutlich erschwerte Strukturwandel der deutschen Industrie sei tiefgreifend und eine existenzielle Bedrohung.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert von der Bundesregierung deutlich mehr Anstrengungen, um den Industrie- und Investitionsstandorts Deutschland nachhaltig zu stärken. „Wir müssen aus dem Krisenmodus in den Zukunftsmodus umschalten“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf auf dem Tag der Industrie in Berlin. Der durch die Pandemie deutlich erschwerte Strukturwandel der deutschen Industrie sei tiefgreifend und eine existenzielle Bedrohung. „Die Gefahr ist groß, dass die akute Krise und eine Selbstzufriedenheit mit den bisher beschlossenen Rettungspaketen den Blick auf die Realität verstellen“, mahnte Kempf.
Kempf: „Schlüssel ist eine Reform der Unternehmenssteuer“
Der BDI-Präsident würdigte die bisher wegen Corona gestarteten Investitionsprogramme in Höhe von 50 Milliarden Euro in drei bis fünf Jahren: „Das ist beachtlich, wird allerdings nicht ausreichen.“ Privatwirtschaftliche Investitionen machen nach BDI-Angaben rund 90 Prozent aller Investitionen in Deutschland aus. Kempf forderte verstärkte Anreize, um den Standort attraktiver für mehr private Investitionen zu machen. „Schlüssel ist – trotz coronabedingter höherer Staatsausgaben – eine Reform der Unternehmensteuer. Nach mehr als zehn Jahren Stillstand darf sich die Bundesregierung hier nicht länger verweigern“, sagte Kempf. Die Steuerlast für Unternehmen läge im Schnitt bei mehr als 31 Prozent. EU-weit hingegen seien es nur 22 Prozent. Deutschland, so der BDI-Präsident, müsse 25 Prozent anvisieren.
Zudem kritisierte Kempf aktuelle Gesetzesvorhaben, die in den Unternehmen statt zu Verlässlichkeit und Zuversicht für Investitionen zu erheblicher Verunsicherung führten. „Die Pläne für ein Lieferkettengesetz und ein Unternehmensstrafrecht diskriminieren pauschal unternehmerisches Handeln. Sie führen in Zeiten, in denen Stabilität und ein sicherer Rechtsrahmen wichtiger denn je wären, zu Verunsicherung und möglicherweise Zurückhaltung bei Investitionen“, heißt es seitens des BDI-Präsidenten.
Verschärfte Klimaziele „verfünffachen bisherige Anstrengungen“
Mit Blick auf die Klimapolitik bemängelte Kempf die wachsende Kluft zwischen politischer Ambition und praktischer Umsetzbarkeit. Als Beispiel nannte er die geplante Verschärfung der europäischen Klimaziele. „Schon um das bestehende EU-Ziel einer Emissionsminderung von 40 Prozent bis 2030 zu erreichen, müssten alle 27 EU-Staaten ihre Klimaschutzanstrengungen ab sofort nahezu verdreifachen“, so der BDI-Präsident. Eine Anhebung auf 55 Prozent wäre ihm zufolge sogar eine Verfünffachung der bisherigen Anstrengungen. „Die Unternehmen sind keine Bremser, sondern diejenigen, ohne die es nicht geht. Wir vermissen die notwendigen Instrumente und Mittel, ohne die weder Klimaschutz noch Wachstum nach der Pandemie gelingen werden.“
BDI begrüßt Bereitschaft der Industrie
Von der EU forderte Kempf im Umgang mit China und in den transatlantischen Beziehungen eine geeinte Außen- und Handelspolitik. Europa müsse den Ehrgeiz haben, „Stammspieler zu sein und nicht Reservespieler – oder gar zum Spielfeld oder noch schlimmer Spielball wirtschaftlicher Großmächte zu werden“. Mehr denn je, meint der BDI-Präsident, brauche es jetzt ein Europa, das auf Grundlage gegenseitiger Solidarität durchsetzungs- und konkurrenzfähig sei. „Es ist wichtig, dass Europa, gerade in der laufenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft, mit einer Stimme spricht.“
Kempf begrüßte die Bereitschaft der Industrie, im Konsens mit Politik und Gesellschaft nach Lösungswegen zu suchen, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Standorts und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. „Das Gefühl, abgehängt zu werden, und die Angst, an einer Wohlstandssteigerung nicht mehr durch eigene Leistung teilzuhaben, ergeben dramatische Folgen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, sagte der BDI-Präsident. Je mehr klassische Industriearbeit verloren gehe, desto größer werde der Nährboden für Rechts- und Linkspopulismus. „Dagegen wollen, dagegen müssen wir etwas tun.“