Die Europäische Kommission will in Sachen Klimapolitik einen strengeren Ton anschlagen. So plant sie, den Ausstoß von CO2-Emissionen bis 2030 um nunmehr 55 statt ursprünglich 40 Prozent zu reduzieren. Die Stahlindustrie ist alarmiert und warnt vor zu viel Ehrgeiz.
Die europäische Stahlindustrie arbeitet bereits hart daran, neue Wege zur Herstellung kohlenstoffarmer Stähle zu entwickeln. Nun müsse die EU eine Reihe konkreter Maßnahmen umsetzen, fordert die europäische Stahlvereinigung Eurofer. Ebendiese sollen sicherstellen, „dass die Dekarboniserung erreicht wird und gleichzeitig Wachstum und Nachhaltigkeit tatsächlich gewährleistet sind“. Der europäische Stahl habe zwar bereits seine Ambition unterstrichen, die gesteckten Klimaziele erreichen zu können, meint Eurofer-Generaldirektor Axel Eggert. Doch betont er auch, dass dies „nur mit den richtigen Rahmenbedingungen“ möglich sein wird.
„Höhere CO2 Kosten und strengere Vorgaben“
Für Eurofer sollte besagter Rahmen daraus bestehen, die Industrie bei Investitionen in Innovation und Markteinführung zu unterstützen. Zudem müsse die EU einen Markt für „grüne“ Materialen schaffen und die Verfügbarkeit der dafür benötigten erneuerbaren Energiequellen gewährleisten. Ebenso wichtig sind nach Angaben Eurofers international gleiche Wettbewerbsbedingungen und die Anwendung der bestehenden Handelsschutzinstrumente der EU.
Die EU-Kommission gibt an, dass das neue Ziel zusätzliche Investitionen von 350 Milliarden Euro erfordert. Einen Teil der Kosten will sie über den EU-Haushalt sowie das neue Wiederaufbau-Instrument (Next-Generation-EU) finanzieren, schreibt das Nachrichtenportal „stahl-online“ unter Berufung auf den „Tagesspiegel“. Dafür stünden insgesamt 1.800 Milliarden Euro zur Verfügung von denen 30 Prozent zur Erreichung der Klimaziele bestimmt seien. Mitte nächsten Jahres wolle die Kommission Vorschläge für eine komplette Überarbeitung sämtlicher EU-Gesetze vorlegen, die sich auf den Energieverbrauch beziehen. Erst dann könne genau gesagt werden, welche Maßnahmen und Investitionen in jedem einzelnen Bereich notwendig seien. Dementsprechend gibt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Achim Dercks, zu bedenken, in Deutschland müssten Betriebe durch die Zielanpassung nun absehbar mit viel höheren CO2-Kosten und strengeren Vorgaben rechnen.
DIHK befürchtet „ernstzunehmende Risiken im internationalen Wettbewerb“
Auch hinsichtlich internationaler Wettbewerbsverzerrungen erfüllt der Plan der Kommission nach Einschätzung Dercks die Erwartungen der Wirtschaft nicht. „Der als Lösungsansatz vorgestellte CO2-Grenzausgleich wirft weiterhin viele Fragen auf und würde allenfalls einigen wenigen Branchen der Industrie einen fairen Wettbewerb ermöglichen.“ Doch die höheren CO2-Kosten, die außerhalb Europas in viel geringerem Maße anfielen, stellten weitaus mehr energieintensive Unternehmen vor große Herausforderungen, berichtet der stellvertretende Hauptgeschäftsführer. Unklar bleibe darüber hinaus, wie die EU-Kommision die Wettbewerbsnachteile für die Exportwirtschaft ausgleichen will. „Solange hier nicht entschieden nachgesteuert wird, birgt Europas Alleingang ernstzunehmende Risiken im internationalen Wettbewerb“, so Dercks.
WV Stahl: Europäische Kommission sollte CO2-Grenzausgleich einführen
Die in Düsseldorf ansässige Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) ist der Meinung, die Zielerhöhung dürfe keine weiteren Verschärfungen im EU-Emissionsrechtehandel auslösen. „Bereits aus heutiger Sicht werden der Branche im Zeitraum von 2021 bis 2030 rund 20 Prozent der erforderlichen Emissionszertifikate fehlen“, betont Verbandspräsident Hans Jürgen Kerkhoff. Eine weitere Beschneidung der freien Zuteilung würde die CO2-Kosten „drastisch erhöhen und den Spielraum für Investitionen massiv reduzieren“.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie zu erhalten, hält die WV Stahl an ihrem Vorschlag fest, einen CO2-Grenzausgleich einzuführen. Bis neue Produktionsverfahren am Markt etabliert seien, bliebe eine ausreichende Ausstattung mit kostenlosen Zertifikaten unverzichtbar. „Anders als derzeit offenbar von der EU-Kommission geplant, darf daher ein Klimazoll diese bereits bestehenden Instrumente zur Abwehr von Carbon Leakage (Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen, Anm. d. Red.) nicht ersetzen, sondern muss sie sinnvoll ergänzen“, so der Verband in einem veröffentlichtem Statement.
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