Die eine Seite steckt viel Herzblut und technisches Wissen in ihre Maschinen und Anlagen, die andere Seite wünscht sich im Regelfall eine einfache Nutzung. Weil das aufgrund der notwendigen Komplexität oftmals nicht „einfach so“ funktioniert, braucht es einen Vermittler zwischen Ingenieuren und Anwendern, weiß unser Interviewpartner Jesco Lippert. Der diplomierte Maschinenbauingenieur hat sich auf Technische Dokumentation spezialisiert und ist seit drei Jahren mit „Liptec – Technische Dokumentation“ selbstständig. Wie man in den Beruf hineinfindet und welche Bedeutung gute Bedienungsanleitungen u.a. im After-Sales-Service haben, verrät er im Gespräch mit Torsten Paßmann.
Stahl + Eisen: Wie wird man eigentlich Technischer Redakteur?
Lippert: Lange Zeit war es so, dass der Bereich „Technische Dokumentation“ ein klassisches Gebiet für Quereinsteiger war, also Ingenieure und Techniker, die sich in einer Firma des Themas angenommen haben. Das ist zum Teil heute noch so, wie man an mir sehen kann. Nach meinem Studium des Maschinenbaus an der TU Berlin wurde ich technischer Redakteur bei einem Dienstleister für „technische Dokumentation“ in Hanau bei Frankfurt. Dort habe ich „on the job“ auf Basis meines technischen Studiums den Beruf erlernt und vertieft.
Mittlerweile gibt es aber auch Studiengänge im Bereich „Technische Redaktion“ mit unterschiedlichen Schwerpunkten an verschiedenen Universitäten und Hochschulen. Hier arbeitet man von vornherein sehr gezielt auf den Beruf des Technischen Redakteurs hin. Allerdings bleibt hier meines Erachtens die Ingenieurswissenschaft auf die Strecke. Kenntnisse und Fähigkeiten in dem Bereich sind allerdings wichtig, um die Gedankengänge und Arbeitsweise der Entwickler und Konstrukteure verstehen zu können.
Stahl + Eisen: Welche Rolle spielt die akademische Ausbildung im Arbeitsalltag?
Lippert: Wie immer gilt, dass mit steigender Anzahl an Berufsjahren die praktische Erfahrung zählt. Wichtig ist natürlich auch das Interesse an und das Verständnis für Technik. Im direkten Dialog mit Ingenieuren ist es aber von Vorteil, wenn man von Anfang an deren Sprache spricht.
Stahl + Eisen: Im Idealfall lassen sich Maschinen im Alltag intuitiv bedienen. Wofür brauchen Unternehmen einen Technischen Redakteur?
Lippert: Komplexe Anlagen brauchen klare Anleitungen. Die Aufgabe von Menschen wie mir ist es, diesen Anspruch in der Realität umzusetzen. Letztendlich besteht der Beruf des Technischen Redakteurs darin, die Technik, die Entwicklungs- und Konstruktionsprozesse nicht nur zu verstehen, sondern so sprachlich zu verarbeiten, dass die Zielgruppe – der Kunde – es so gut versteht, dass er die Maschine, die Anlage, das Gerät richtig anwenden kann.
Stahl + Eisen: Was bringt eine gute Betriebsanleitung für eine Firma?
Lippert: Häufig wird eine Betriebsanleitung leider als notwendiges Übel beziehungsweise überflüssiger Arbeitsaufwand für das technische Personal betrachtet. Das ist schade, weil durch diese Denkweise das große Potential einer sehr guten Technischen Dokumentation verschenkt wird.
Stahl + Eisen: Inwiefern wird Potenzial verschenkt?
Lippert: Meine Aussage hat zwei Aspekte. Zum Einen sorgt eine verständliche Betriebsanleitung für deutliche Ersparnisse im After-Sales-Service, da der Kunde die Maschine selbst so gut versteht, dass viele Rückfragen einfach entfallen. Zum anderen betrifft meine Aussage den Marketingaspekt, den eine ansprechende Betriebsanleitung erfüllt. Reklamationen können so deutlich reduziert werden. Zum Anderen ist eine Anleitung ist auch eine Visitenkarte der Firma. Im Gegensatz zu einem Werbeflyer wird sie jedoch auch im täglichen Betrieb einer Maschine zur Hand genommen. Wenn dann die Erwartungen eines Kunden durch Verständlichkeit erfüllt und durch ansprechendes, übersichtliches Design übertroffen werden, so schafft dies mehr Kundenzufriedenheit als jede Werbekampagne.
Stahl + Eisen: Gibt es ein besonderes Gefahrenpotenzial für schlechte Anleitungen?
Lippert: Das „intuitive Bedienen“, was Sie gerade angesprochen haben, kann oftmals zu Fehlbedienungen führen, die nicht nur zu Maschinen- sondern auch zu Personenschaden führen. Daher sieht der Gesetzgeber es zwingend vor, dass jeder in Verkehr gebrachten Maschine normgerechte Betriebsanleitungen beigefügt sein müssen. Die Arbeit der Technischen Redakteure hat insofern auch marktrelevante Bedeutung.
Stahl + Eisen: Was sind Ihrer nach die häufigsten bzw. „die typischen“ Fehler in Anleitungen und Handbüchern?
Lippert: Es gibt viele Normen und Richtlinien zur Erstellung von technischen Anleitungen. Wer sich an diese Vorgaben hält, kann von vornherein viele Fehler vermeiden, insbesondere was die Vollständigkeit angeht. Stilistisch ist das Problem oftmals, dass Personen Betriebsanleitungen schreiben, die eigentlich kein Interesse daran haben und sich bisher wenig bis gar nicht damit befasst haben. Dabei denke ich daran, dass ein Konstrukteur „noch eben“ eine Betriebsanleitung schreiben soll. Hier gibt es oft das Problem, dass der Autor zu sehr „im Thema drin“ ist. Es fällt ihm schwer, sich in den Anwender hineinzuversetzen, dem viele Informationen und Wissen schlicht fehlen, was ja durch die Betriebsanleitung behoben werden soll. Ein externer Redakteur kann hier ein wichtiger Protagonist werden, um dieses Problem zu vermeiden.
Stahl + Eisen: Wie lautet Ihre Prognose zum Bedarf Ihres Berufsstandes?
Lippert: Auf der einen Seite sind die Unternehmen über die Jahre immer besser geworden, ihre Handbücher zu gestalten. Das ist aus Anwendersicht erfreulich. Auf der anderen Seite ist es ein immer wiederkehrender Aspekt, dass insbesondere die einfachen Handgriffe so verinnerlicht sind und sie keinen Eingang mehr finden. Aber genau das sind die Punkte, die Anwender am Anfang aufhalten. Der unverbrauchte Blick von außen hilft dabei, solche Schwachstellen von Anfang an zu vermeiden.
Stahl + Eisen: Vielen Dank für das Interview, Herr Lippert!