Die Europäische Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e.V. (EFB) hat Alexander Wessel vom Freiburger Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM ausgezeichnet. Der Wissenschaftler erhielt den EFB-Projektpreis 2020 – wegen Corona ein Jahr später – gemeinsam mit Tobias Willmann vom Institut für Baustatik und Baudynamik der Universität Stuttgart (IBB) für ihr Forschungsvorhaben »Verbesserte Blechumformsimulation durch 3D-Werkstoffmodelle und erweiterte Schalenformulierungen«. Die beiden Wissenschaftler entwickelten einen neuen 3D-Modellierungsansatz, der eine genauere Simulation von bisher schwer beherrschbaren Blechumformprozessen ermöglicht.
Um Blechumformungsprozesse zu simulieren, verwenden Ingenieurinnen und Ingenieure meist Finite-Elemente-Modellierungsansätze. Bei der Umformung dicker Bleche, bei kleinen Radien oder bei speziellen Umformungsprozessen wie beim Falzen oder Prägen stoßen klassische Finite-Elemente-Modellierungsansätze infolge von vereinfachenden Annahmen an ihre Grenzen. Dies kann zu ungenauen Ergebnissen führen.
Bessere Simulationen – weniger Kosten
Die Nachwuchswissenschaftler Alexander Wessel und Tobias Willmann wollen die Simulationen genauer machen. »So können wir zuverlässigere Aussagen über den Prozess und das Werkstoffverhalten treffen«, erklärt Alexander Wessel. Für Industriepartner, beispielsweise aus der Automobilbranche, bedeute dies weniger Trial and Error-Versuche, weniger Fehlproduktion und schlussendlich weniger Kosten.
Während Tobias Willmann an der Verbesserung der Finiten-Elemente-Formulierung arbeitet, konzentriert sich Alexander Wessel auf den Werkstoff. Eine Schlüsselmethode für den neuen Modellierungsansatz des Werkstoffs ist das »Virtuelle Labor« des Fraunhofer IWM. »Das Virtuelle Labor ermöglicht uns, Versuche zu simulieren, die wir experimentell nicht durchführen könnten, die uns aber wertvolle Ergebnisse für das Verständnis der Vorgänge im Material liefern«, so Alexander Wessel. So werden beispielsweise virtuelle Versuche in Dickenrichtung der oft nur ein Millimeter dicken Bleche möglich. Die entsprechenden Werkstoffeigenschaften werden bisher kaum bis gar nicht bei der Simulation berücksichtigt, können aber trotzdem relevant sein.
Fahrzeugsicherheit als eine von vielen Anwendungsmöglichkeiten
»Im ausgezeichneten Projekt haben wir die Grundlagen für genauere 3D-Simulationen gelegt«, so Alexander Wessel. Im Folgeprojekt »Verbesserte Blechumformsimulation durch 3D-Werkstoffmodelle und erweiterte Schalenformulierungen – Teil 2« soll die Technologie verfeinert und für die Industrie nutzbar gemacht werden. »Hier ist es insbesondere wichtig, neue Werkstoffklassen zu erschließen und so die Anwendbarkeit zu erhöhen«, erklärt Alexander Wessel. Das von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) geförderte IGF-Forschungsvorhaben startete Anfang 2021.
»Mittelfristig wollen wir die Ergebnisse von der Blechumformung auch auf andere Anwendungsfelder, beispielweise den Crashbereich, übertragen«, erklärt Alexander Wessel weiter. Somit könnten Hersteller beispielsweise das Crashverhalten von Blechteilen in Autos und Flugzeugen zuverlässiger simulieren. Dies könnte in Zukunft dazu beitragen, verschiedenste Transportmittel durch bessere Designs leichter und gleichzeitig sicherer zu machen.
Hintergrund: Der EFB-Projektpreis
Die Europäische Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e.V. (EFB) ist ein Verband für die Forschungseinrichtungen und Unternehmen der gesamten Technologiekette der blechverarbeitenden und verwandten Industrie. Sie vergibt den EFB-Projektpreis seit 2010 jährlich. Er ist mit 500 Euro dotiert und ehrt herausragende Forschungsprojekte. Aufgrund der Corona-Pandemie verlieh die EFB die Projektpreise für 2020 und 2021 gemeinsam im Rahmen der Digital-Konferenz »ForumBlech im web«.