Alle zwei Jahre bringt die Fachkonferenz ESTAD hunderte Referenten und noch mehr Besucher zusammen, um mit fundierten Vorträgen aktuelle Fragen rund um die Eisen- und Stahlherstellung zu beantworten. Alle vier Jahre, parallel zur Weltleitmesse METEC, erhält Europas größte Fachkonferenz ihrer Art noch mehr Aufmerksamkeit. Was heuer die Branche bewegt, auf was sich die Besucher einstellen können und welches Wachstum die ESTAD im Vergleich zur vorherigen METEC-Auflage 2019 verzeichnet, verrät Stefanie Brockmann vom Stahlinstitut VDEh, dem diesjährigen Ausrichter.
Der Artikel erschien unter dem vollen Titel „Auch dieses Jahr wieder die größte Stahlkonferenz Europas“ – Interview mit Stefanie Brockmann, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Stahlinstitut VDEh ursprünglich in Ausgabe 4/23 von stahl + eisen in der Rubrik Politik + Märkte. Die Fragen stellte Torsten Paßmann, Chefredakteur von stahl + eisen.
stahl + eisen: Zahlenmäßig ist die ESTAD Europas größte Stahlkonferenz. Was macht sie grundsätzlich und erst recht dieses Jahr zur wichtigsten Fachkonferenz?
Brockmann: Grundsätzlich wollten wir vor zehn Jahren eine europäische Metallurgie-Konferenz als Pendant zu den großen Konferenzen in Nordamerika und Asien gründen. Die Idee war eine Leitkonferenz, auf der Stahlhersteller, Zulieferer, Anwender, Universitäten und Anlagenbauer zusammenkommen. Der Plan ging auf: auch in diesem Jahr wird die ESTAD wieder die größte Stahlkonferenz Europas sein. Wir konnten die Anzahl der Vorträge in diesem Jahr noch einmal steigern und erwarten dementsprechend über 1.000 Teilnehmer.
Zentrale Themen der ESTAD 2023
stahl + eisen: Können Sie eine so große Konferenz mit prägnanten Schlagworten zusammenfassen?
Brockmann: Natürlich wird die ESTAD unter dem Vorzeichen „Europas Weg zum grünen Stahl“ stehen. Dieses Thema ist oft eng verbunden mit „Industrie 4.0“ – damit haben wir die zwei Schlagwörter Dekarbonisierung und Digitalisierung, die unsere Industrie momentan umtreibt. Aber neben diesen beiden Themen ist die ESTAD auch besonders stark in den traditionellen Themenfeldern „Ironmaking“ und Steelmaking“. Die ESTAD ist eben der Treffpunkt für Metallurgen und Werkstofftechniker aus aller Welt.
stahl + eisen: Das Stahlinstitut VDEh ist ja alle vier Jahre der Ausrichter. Was hat sich gegenüber 2019 verändert?
Brockmann: 2019 stand das Thema Industrie 4.0 im Fokus, in diesem Jahr ist es die CO2-neutrale Stahlherstellung. Wir haben dem Thema nicht nur eine Technical-Session gewidmet, sondern am ersten Tag als besonderes Highlight eine Keynote-Session mit zahlreichen hochrangigen Vortragenden aus der internationalen Stahlindustrie. Mit diesem neuen Fokus konnten wir noch einmal die Anzahl der Vorträge von 540 im Jahr 2019 auf heute beeindruckende 630 erhöhen.
stahl + eisen: Diese +600 Vorträge sind unterhalb der eben genannten Schlagworte ja in Themenblöcke aufgeteilt. Welche gibt es und wie sind hier die Anteile?
Brockmann: Wir haben die Oberthemen Ironmaking, Steelmaking, Rolling & Forging, Industry 4.0, Hydrogen-based Steelmaking und mit Steel Materials schließlich auch eine Session zur Werkstofftechnik von Stahl. Der große Bereich Steelmaking mit zahlreichen Unterthemen ist mit gut einem Viertel aller Vorträge am stärksten vertreten. Ironmaking und Hydrogen-based Steelmaking folgen mit jeweils einem 20%-Anteil. Rolling/Forging und Digitalization belegen je ca. 15 % der Vorträge. Das Thema Steel Materials mit 8 % müssen wir zukünftig stärken.
stahl + eisen: Was sind Ihre persönlichen Highlights?
Brockmann: Die Auswahl in den Fach-Sessions ist sicherlich beeindruckend. Aber was diese ESTAD vor allem von den bisherigen Veranstaltungen unterscheidet, ist die bereits angesprochene Keynote-Session des ersten Tages, die unter dem Motto „The steel industry on its way to green steel“ läuft. Wir konnten knapp 20 hochrangige Entscheidungsträger – Vorstände, Geschäftsführer, Direktoren – gewinnen, ihre Strategien und Lösungen für die CO2-neutrale Zukunft vorzustellen. Das Gros kommt dabei natürlich aus Europa, aber mit Ronald Ashburne von der AIST und Shin Myounkyung von POSCO werden z.B. auch amerikanische und südkoreanische Zukunftspläne präsentiert. Und mit Prof. Karsten Pinkwart als Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates haben wir einen bekannten Experten zu dem Thema, welches aktuell sicherlich das Brisanteste ist.
Namhafte Referenten und Sponsoren
stahl + eisen: Speziell zu den Technical Sessions, wie die Fachsitzungen der englischsprachigen Konferenz genannt werden: Können Sie einen kleinen Einblick zu den Referenten geben?
Brockmann: Es sind Vorträge von 190 Unternehmen aus 34 Ländern eingereicht worden. Die stärksten Länder sind Deutschland, Österreich, Italien und Schweden – die Länder, die Mitveranstalter der ESTAD sind und die größten Stahlindustrien sowie Anlagenbauer besitzen. Jenseits des Atlantiks sind die USA, Kanada und Brasilien stark vertreten, aus Asien vor allem Südkorea und Japan. Branchenmäßig liegt der Anlagenbau angesichts der anstehenden Transformation vorne. Ich freue mich sehr, dass aus den Hochschulen fast 100 Beiträge kommen, denn Konferenzen sollen auch ein wichtiges Sprungbrett für Uni-Know-how in die Industrie sein. Besonders stolz bin ich auf mehr als 20 Vorträge, die wir in diesem Jahr aus unserem VDEh-Betriebsforschungsinstitut (BFI) beisteuern werden.
stahl + eisen: Auf der Website metec-estad2023.com fällt auch auf, dass sich eine Reihe namhafter Unternehmen als Sponsoren beteiligen. Wie leicht fiel die Suche und wie sind die Sponsoren präsent?
Brockmann: Das Sponsoring hat sich gegenüber 2019 verdreifacht. Die Konferenz ist neben der METEC-Messe eine sehr öffentlichkeitswirksame, weltweite Plattform. Das haben insbesondere die Anlagenbauer verstanden, die aktuell natürlich ihre Lösungen zur CO2-neutralen Stahlherstellung präsentieren möchten. Die Präsenz der Sponsoren beginnt schon im Vorfeld in digitaler Form auf der ESTAD-Website, in Newslettern und weiteren sozialen Medien. Vor Ort können die Logos in vielfältiger Form auftauchen: auf Schildern und Roll-Ups, auf der Konferenztasche, in den Unterlagen, im Tagungsband, auf den Speisekarten. In den großen Sponsorenpaketen sind zudem Freikarten und ein Meetingraum für Kundengespräche enthalten. Sie sehen, als Sponsor ist man wirklich sichtbar.
stahl + eisen: Die zweijährliche ESTAD findet immer auch parallel zur METEC statt. Diese Nähe drückt sich auch im offiziellen Namen METEC & 6th ESTAD 2023 aus. Wie sind die beiden Veranstaltungen miteinander verbunden?
Brockmann: Richtig, alle vier Jahre in Düsseldorf zusammen mit der METEC, die eingebettet ist in die „Bright World of Metals“: das ist das Messe-Quartett GIFA, METEC, Thermprocess und Newcast. Da ist richtig etwas los in Düsseldorf! Die Kooperation mit der Messe Düsseldorf drückt sich auch dadurch aus, dass unsere Konferenzteilnehmer automatisch ein Freiticket zur METEC und den anderen drei Messen erhalten. In den Zwischenjahren ohne METEC findet die ESTAD abwechselnd bei unseren Partnern Jernkontoret, AIM und ASMET in Schweden, Italien und Österreich statt. So bieten wir dem wiederkehrenden ESTAD-Besucher eine interessante Abwechslung.
stahl + eisen: Vielen Dank für den Austausch!