So wie sprichwörtlich viele Wege nach Rom führen, beschreiten die Branchenunternehmen bei der Dekarbonisierung der Industrie unterschiedliche Wege. Zwei der zentralen Themen sind dabei die Direktreduktion von Feinerzen und die Verwendung von Wasserstoff als Reduktionsmittel. Was für manche Akteure im Alltag noch ungewohnt ist, gehört andernorts zum etablierten Wissen, wie Max Köpf vom global aufgestellten Technologieunternehmen Metso berichtet. Schließlich hat sein Haus unter dem Namen Circored vor über 20 jahren eine Anlage erfolgreich in Betrieb gesetzt.
Das Interview erschien unter Titel „20 Jahre zu früh?“ und mit der Unterzeile Ein Vorläufer von Metso Outotec hat schon vor der Jahrtausendwende auf Wasserstoff als Direktreduktionsmittel gesetzt. Im Hintergrund liefen die Versuche weiter – und jetzt steht die nächste Evolutionsstufe an. ursprünglich in Ausgabe 4/23 von stahl + eisen in der Rubrik Wissenschaft + Technik. Die Fragen stellte Torsten Paßmann, Chefredakteur von stahl + eisen.
stahl + eisen: Die wasserstoffbasierte Direktreduktion ist ein aktuelles Kernthema der Branche. Wo steht Metso in der Entwicklung in diesem Bereich?
Köpf: Zurzeit liest man ja an verschiedenen Stellen über die ersten erfolgreichen Pilotversuche mit wasserstoffbasierter Feinerzreduktion in der Wirbelschicht. Dabei hat Lurgi, einer der Vorgängerunternehmen von Metso, diese Technologie bereits in den 1990er Jahren entwickelt, unter dem Namen Circored patentiert und eine erste Anlage im industriellen Maßstab mit einer Kapazität von 500 000 jato in Trinidad errichtet. Die Anlage wurde 1999 erfolgreich in Betrieb genommen, nach einigen technischen Modifikationen wurde ein stabiler Betrieb erreicht und es wurden insgesamt 300 000 Tonnen HBI hoher Qualität produziert.
stahl + eisen: Können Sie kurz den Hintergrund der Entwicklung skizzieren?
Köpf:Metso hat in den 1970er Jahren das ZWS-Verfahren entwickelt, also die Zirkulierende Wirbelschicht – ursprünglich für die Kohleverstromung. Etwas später wurde das Verfahren unter anderem für die Kalzinierung von Bauxit für die Aluminiumherstellung oder zur Röstung von Golderzen eingesetzt. In all diesen Anwendungen wurde die ZWS innerhalb kürzester Zeit Stand der Technik und hat die bisherigen Technologien wegen ihrer überlegenen Energieeffizienz, Produktivität und Prozessstabilität verdrängt. Damals haben unsere Altvorderen überlegt, wo dieses hervorragende ZWS-Verfahren sonst noch eingesetzt werden könnte. Eine naheliegende Option war die Direktreduktion von Eisenerz, was zusätzlich den Vorteil hatte, die sonst benötigte Agglomeration, also das teure und energieintensive Pelletieren, zu vermeiden. Wasserstoff als Reduktionsmittel kam damals nur deshalb ins Spiel, weil damit die Prozesstemperatur gesenkt und damit das Sticking, also das Verkleben der Erzpartikel verhindert werden konnte. Zu dieser Zeit, kurz vor der Jahrtausendwende, war ja von der Dekarbonisierung und von Wasserstoff als einer der Optionen dahin noch keine Rede.
stahl + eisen: Wenn die Circored-Technologie erfolgreich implementiert wurde, warum hat sich diese Technologie nicht auf dem Markt durchgesetzt?
Köpf:Diese Frage wird uns natürlich häufig gestellt. Leider wurde die Circored-Anlage in Trinidad stillgelegt, obwohl sie nach mehreren Umbauten endlich stabilen Betrieb erreicht hat. Hauptgründe dafür waren zum einen mehrere Eigentümerwechsel in kurzer Zeit sowie im Umstand, dass das günstige Erdgas, das für die Wasserstoffherstellung benötigt wurde, am Standort in Trinidad nicht mehr verfügbar war. Danach ist das Circored-Verfahren in der öffentlichen Wahrnehmung in einen Dornröschenschlaf gefallen. Vielleicht waren wir einfach nur 20 Jahre zu früh dran mit dieser Technologie.
stahl + eisen: Ist der sprichwörtliche Tiefschlaf auch gleichbedeutend mit Stillstand? Oder ist im Hintergrund doch etwas passiert?
Köpf:In den ersten Jahren gab es noch mehrere Anläufe von Unternehmen und Investoren, die Anlage in Trinidad zu kaufen und wieder in Betrieb zu nehmen, es gab auch mehrere Projekte für Circored-Anlagen mit größerer Produktionskapazität, aber leider sind all diese Projekte nicht geflogen, hauptsächlich wegen der vergleichsweise hohen Gaspreisen und sicher auch dem Fehlen einer produzierenden Referenzanlage. Aber in all den Jahren haben wir in unserem F&E-Zentrum in Frankfurt Circored-Versuche für Kunden aus aller Welt durchgeführt, nicht nur zur Reduktion von Eisenerz, sondern auch für andere Erze wie etwa Ilmenit. Nach dutzenden Versuchskampagnen und hunderten von Tests haben wir heute einen wohl einmaligen Erfahrungsschatz über das Reduktionsverhalten der verschiedenen Erztypen aus allen wichtigen Lagerstätten der Welt.
Aber erst in den letzten Jahren, nach den Paris-Vereinbarungen und dem Beginn der globalen Anstrengungen zur Dekarbonisierung der Eisen- und Stahlindustrie, erwachte in unserer Industrie wieder das Interesse an Circored.
stahl + eisen: Welche Vorteile und Erkenntnisse ziehen aus den Erfahrungen damals und der Aktivität seitdem?
Köpf:Wir haben den riesigen Vorteil, schon einmal eine Anlage im industriellen Maßstab konstruiert, gebaut, in Betrieb genommen und eine beträchtliche Zeit in Betrieb gehalten zu haben. Natürlich gab es, wie bei jeder „First-of-its-kind“-Anlage einige Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme, aber die erfolgreiche Lösung der verschiedenen technischen „Kinderkrankheiten“ im Bereich Verfahrenstechnik und Ausrüstungsdesign und die lückenlose Dokumentation von damals stellt für uns heute eine unschätzbare Erfahrung dar, der uns einen Vorsprung vor den anderen Technologieanbietern auf diesem Gebiet gibt.
stahl + eisen: Welche aktuellen Entwicklungsaufgaben ergeben sich aus dem veränderten Markt für Metso für die Circored-Technologie?
Köpf:Zu allererst mussten wir natürlich das Design wieder auf den neuesten Stand der Technik bringen, vor allem in Bezug auf die heutigen Qualitäts- und Sicherheitsstandards, der Werkstofftechnik oder der Digitalisierung. Außerdem war es nötig, die Anlagenkapazität von den 500 000 jato unserer Trinidad-Anlage im ersten Schritt auf mindestens 1,25 Millionen jato zu vergrößern, wie es der Markt verlangt. Zwei weitere wichtige Entwicklungsziele sind die Entwicklung von elektrischen Prozessgaserhitzern, um auch hier fossile Brennstoffe zu vermeiden und eine wirklich CO2-freie Anlage liefern zu können, und die weitergehende Forschung und Entwicklung der Mikrogranulation von ultrafeinen Rohstoffen oder gar Stäuben, und die mögliche Rohstoffbasis für das Circored-Verfahren zu verbreitern
stahl + eisen: Welche Vorstellungen haben Sie, die Circored-Technologie weiterzuentwickeln?
Köpf:Das ursprünglich Circored-Konzept sah die Verarbeitung von hochwertigen Eisenerz in DR-Qualität zur Produktion von HBI vor. Die vieldiskutierte weltweite Knappheit dieser hochqualitativen Erze hat unseren Fokus auf die Entwicklung eines Prozesses gelenkt, mit dem Circored auch für die Verarbeitung von Erzen mit niederer, also BF-Qualität eingesetzt werden kann. Unsere Lösung ist die Kombination aus einer vereinfachten, einstufigen Circored-Anlage für die Vorreduktion der Feinerze mit einem DRI-Schmelzofen, in dem die vollständige Reduktion, das Aufschmelzen des DRI und eine Aufkohlung stattfindet. Dieses sogenannte CircoSmeltVerfahren wird von uns in einigen Wochen offiziell vorgestellt und wir sind der festen Überzeugung, damit eine Lösung anzubieten, die die CO2intensive Hochofenroute samt Kokerei und Agglomeration durch einen nachhaltigen Prozess ersetzen kann, sowohl in neuen als auch in existierenden integrierten Stahlwerken. Das kann dann wirklich einen Meilensteil zur Herstellung grünen Stahls mit minimalen CO2-Footprint darstellen.
stahl + eisen: Und wie sieht es mit dem Gang in die Praxis aus?
Köpf: Das vorrangige Ziel ist natürlich, möglichst bald die zweite Circored-Anlage zu realisieren. Wir sind zurzeit mit Kunden und Partnern in der Entwicklungsphase mehrerer konkreter Projekten für verschiedene Anwendungen, neben der Produktion von DRI für die Stahlherstellung oder als Rohstoff für die Batterieherstellung auch zur Verarbeitung von Ilmenit.
stahl + eisen: Vielen Dank für den Austausch.
Über Metso
Die börsennotierte Gesellschaft mit Hauptsitz in der finnischen Hauptstadt Helsinki ist in über 45 Ländern präsent, beschäftigt über 16 000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2022 einen Umsatz von über 5,3 Mrd. Euro. Die Gesellschaft sieht sich als einen Vorreiter bei nachhaltigen Technologien. Sie ist auf End-to-End-Lösungen sowie Dienstleistungen für die Zuschlagstoff-, Mineralverarbeitungs- und Metallveredelungsindustrie spezialisiert. Das Produkt- und Prozess-Know-how soll den Kunden helfen, deren Energieeffizienz zu verbessern, die Produktivität zu steigern und Umweltbelastungen zu reduzieren.
Einen Fachbeitrag des Interviewpartners zum Thema finden Sie > hier.
Foto: Metso – eigene Collage