Das Projekt Carbon2Chem erforscht, wie aus Hüttengasen der Stahlproduktion wertvolle Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe oder Düngemittel werden. Nach erfolgreichen Tests im Labor startet nun die Pilotphase im Duisburger Stahlwerk von thyssenkrupp Steel.
Um die Stahlproduktion klimafreundlicher zu gestalten, entwickeln Forscher des Fraunhofer UMSICHT im Projekt „Carbon2Chem“ ein Verfahren, mit dem Hüttengase verwertet werden können. Im Fokus steht die Produktion von Methanol. Auf die ersten vielversprechenden Versuchsreihen im Labormaßstab folgte die Skalierung bis hin zur Pilotanlage. Parallel dazu haben die Forschenden den gesamten Verbund simuliert und einen digitalen Zwilling erstellt. „So können wir jederzeit einen technisch möglichen Rahmen definieren. Und es lassen sich wesentlich mehr Betriebspunkte untersuchen als in einer begrenzten Versuchszeit möglich wäre“, erklärt Tim Schulzke, der am Fraunhofer UMSICHT unter anderem für die Pilotanlage und die einzelnen Versuchsreihen verantwortlich ist.
Bisher wurde die Anlage am Institutsstandort in Oberhausen mit Flaschengasen betrieben. Diese sauberen Gase wurden entsprechend der Zusammensetzung der verschiedenen Hüttengasen zusammengemischt. Um den Prozess für die spätere industrielle Methanolproduktion final zu optimieren, ist die Anlage jetzt an das Stahlwerk der thyssenkrupp Steel Europe AG nach Duisburg umgezogen, wo sie mit Gasen der laufenden Stahlproduktion betrieben wird. Damit das Hochofengas für die Methanolsynthese nutzbar ist, wird es zuvor mit Hilfe der Pilotanlage von thyssenkrupp Uhde gereinigt.
Prozess lässt sich auf andere Industrien übertragen
Mitte Juli, wenn die letzten Installationsarbeiten voraussichtlich beendet sind, wollen die Forscher einen ersten Testlauf zur Inbetriebnahme starten. Das nächste Etappenziel ist dann die tägliche Produktion von 75 Litern Rohmethanol im Dauerbetrieb. Ende Mai 2024 soll die Testphase abgeschlossen sein, sodass der Übergang in die industrielle Methanolproduktion aus Hüttengasen starten kann. „Unsere bewährten Technologien ermöglichen es, Hüttengase zu reinigen, sodass diese im Anschluss für die Methanolsynthese brauchbar sind“, sagt Ralph Kleinschmidt, Head of Technology & Innovation bei thyssenkrupp Uhde. Den Betrieb der Pilotanlage wolle das Unternehmen nutzen, um seine grüne Methanol-Technologie weiter zu optimieren.
Künftig könnten nicht nur Stahlwerke vom Projekt Carbon2Chem profitieren: Aufgrund des modularen Aufbaus der Methanolanlage ist es möglich, den Prozess auf weitere CO2-emittierende Industrien zu übertragen – zum Beispiel Müllverbrennungsanlagen oder Zementwerke. Bei der Zementherstellung etwa wird aufgrund der chemischen Reaktion beim Brennen von Kalk immer CO2 freigesetzt. „Die Technologie zur CO2-basierten Methanolherstellung ist daher auch dann eine nachhaltige und langfristige Investition, wenn die Stahlindustrie vollständig auf Wasserstoff umgestellt hat“, so Schulzke abschließend.
Hintergrund: Carbon2Chem
Die bei der Stahlproduktion anfallenden Hüttengase – bestehend u. a. aus Wasserstoff (H2), Stickstoff (N2), Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2) – werden zumeist auf der Hütte thermisch verwertet, also im ersten Schritt verbrannt. Dabei setzt der Prozess am Ende große Mengen klimaschädliches CO2 frei. Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, SIcherheits- und Energietechnik (UMSICHT) forscht seit 2016 gemeinsam mit weiteren Projektpartnern aus Industrie und Wissenschaft an einer Lösung, mit der sich dieses CO2 stofflich verwerten und im Kreislauf führen lässt. Eines der Zielprodukte von Carbon2Chem ist die Grundchemikalie Methanol, die aktuell noch aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Mit der Verwertung des CO2 knüpfen die Forschenden also gleich an zwei Stellen an: Das Klimagas gelangt nicht in die Atmosphäre und ist gleichzeitig die Basis für eine nachhaltige Methanolproduktion.
Wichtige chemische Produkte, die auf Methanol basieren, sind zum Beispiel Formaldehyd, aus dem Klebstoffe und Kunstharze zur Herstellung von Spanplatten oder Essgeschirr produziert werden, oder Essigsäure zur Herstellung von Polymeren. Auch kann Methanol zu Kraftstoffen – Benzin, Diesel, Kerosin – umgewandelt werden oder selbst als Kraftstoff dienen.