Bis zu 80.000 Arbeitspläne müssen für den Prototyp eines U-Bootes erstellt werden. In der Schiffsbau-Sparte Marine Systems von Thyssenkrupp bindet das viele Ressourcen: Die Aufgabe ist komplex und zeitaufwändig, fundiertes Fachwissen und viel Erfahrung sind nötig. Die Fachhochschule Kiel möchte diesen Ablauf mithilfe künstlicher Intelligenz zum Teil automatisieren – und schafft damit eine Blaupause auch für weitere Branchen.
Arbeitspläne sind in der Produktion und insbesondere im Maschinenbau sehr wichtig. In ihnen sind alle Schritte zur Herstellung eines Produktes aufgelistet. Ihre Erstellung ist sehr komplex und zeitaufwändig. Sie erfordert nicht nur technisches Wissen, sondern auch die Berücksichtigung von Produktionskapazitäten wie Personal und verfügbaren Anlagen sowie Fertigungstechnologien.
Im Rahmen des Projekts „OfferAI“ möchten die Fachhochschule Kiel und das Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um aus vorhandenen Daten Arbeitspläne schneller und präziser zu erstellen. Für das Training der KI kann das Team um Prof. Daniel Böhnke auf den riesigen Datenpool von Marine Systems zurückgreifen. Hier entstehen pro Boot zehntausende von Arbeitsplänen, die sich aufgrund individueller Kundenwünsche von Projekt zu Projekt unterscheiden – eine sehr gute Ausgangslage für den Einsatz datenhungriger KI. Um die Daten nutzbar zu machen, verwendet das Team unter anderem Technologien, die bereits für die Sprachverarbeitung genutzt werden. „KI wird bislang bei der Erstellung von Arbeitsplänen kaum eingesetzt. Aber es gibt durchaus vielversprechende Technologien in diesem Bereich. Wir untersuchen unter anderem auch den Einsatz von Transformern, welche zum Beispiel in den großen Sprachmodellen à la Chat GPT verwendet werden“, erklärt Böhnke.
KI liefert Vorhersagegenauigkeit von über 85 Prozent
Ein Großteil der Daten besteht aus Geometrien, die technische Bauteile beschreiben. Das Team arbeitet nun daran, die bereits bewährten Technologien auf die Verarbeitung von Geometrien mit KI zu übertragen. „Ingenieure speichern technische Bauteile in Form von 3D-Modellen und technischen Zeichnungen ab. Für uns ist eine der spannenden und bislang nicht vollständig gelösten Fragestellungen, wie diese Informationen für den Einsatz von KI aufgearbeitet werden können“, so Böhnke.
Insgesamt strebt das Team eine Vorhersagegenauigkeit von mehr als 85 Prozent an, die die Arbeitsplanung erheblich beschleunigen und sowohl die Angebotserstellung als auch den Produktionsbeginn optimieren könnte. Insbesondere im spezialisierten Prototypenbau bei Marine Systems existiert ein hoher Bedarf in der Arbeitsplanung. Für den Prototyp eines U-Bootes müssen im Verlauf einer mehrjährigen Planung bis zu 80.000 Pläne erstellt und zahlreiche Arbeitskapazitäten gebunden werden. Das Einspar- und Entlastungspotential ist also enorm, betont Dr. Dirk Steinbrink, COO von Thyssenkrupp Marine Systems: „Der Arbeitsplanassistent birgt ein gutes Potenzial und wird uns in Zukunft einen Teil der Arbeit abnehmen können. In Bezug auf den Fachkräftemangel ist das eine sinnvolle Ergänzung der ohnehin knappen Personalressourcen im spezialisierten Marineschiffbau.“ Neben der sinnvollen Ergänzung für die Mitarbeiter und Produktionsplanung erhoffe man sich auch eine Verbesserung der Datenqualität durch die Vorbefüllung der Arbeitspläne.
Von einer teil-automatisierten Erstellung von Arbeitsplänen könnte aber nicht nur der Projektpartner Marine Systems profitieren. Die Methode könnte für diverse Branchen von Nutzen sein. Ein großer Bedarf besteht etwa in der Lohnfertigung in der zerspanenden Industrie. Hier müssen die Anbieter in hoher Taktung Angebote für technische Prozessen erstellen.
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