Die europäische und insbesondere die deutsche Stahlindustrie blicken auf ein schwieriges Geschäftsjahr 2019 zurück. Weltweite Überkapazitäten in der Stahlproduktion und protektionistische US-amerikanische Politik lenkten große Mengen Stahl in den europäischen Markt. Darüber hinaus schwächelten der Maschinenbau und die Automobilindustrie, die neben dem Bausektor die wichtigsten Abnehmer von Stählen sind. Die Rezession zeichnet sich auch bei den Stahlrecyclingunternehmen ab, wie die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) in ihrer aktuellen Jahresbilanz berichtet.
Die Rohstahlerzeugung in der Europäischen Union ist im vergangenen Jahr um 4,9 Prozent auf 159,4 Milionen Tonnen gegenüber dem Jahr 2018 zurückgegangen. In Deutschland verminderte sich die Rohstahlerzeugung gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Prozent auf 39,7 Millionen Tonnen und erreichte damit den niedrigsten Wert seit 2009. Diese Entwicklungen blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Schrottnachfrage und die Preisentwicklung. Die Stahlwerke reduzierten ihren Schrottzukauf um 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 13,7 Millionen Tonnen. Der Schrottzukauf der Gießereien verringerte sich im gleichen Zeitraum um 9,2 Prozent auf 3,2 Millionen Tonnen.
Während die Rohstahlerzeugung 2019 um 2,9 Millionen Tonnen (-6,5 Prozent) zurückgegangen ist, reduzierte sich der Schrotteinsatz hierbei lediglich um 4,8 Prozent (0,9 Millionen Tonnen).
2019: Leichte Erhöhung des Schrotteinsatzes
Die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV) wertet es als positiv, dass sich der Anteil des Schrotteinsatzes an der Rohstahlproduktion – trotz rückläufiger Produktionszahlen – von 43,8 Prozent im Jahr 2018 auf 44,6 Prozent im vergangenen Jahr erhöht hat. Die schrottintensive Elektrostahlproduktion war von Produktionskürzungen weniger stark betroffen als die Oxygenstahlproduktion. Die gute Auftragslage der Bauindustrie habe sich hier stabilisierend ausgewirkt, erklärt der Verband in einer Pressemitteilung.
Insgesamt lieferten die Stahlrecyclingunternehmen im vergangenen Jahr 25,4 Millionen Tonnen Stahlschrott an Stahlwerke und Gießereien. Dies entspricht einem Minus von 1,5 Millionen Tonnen (- 5,6 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Beim Versand aus dem Inlandsaufkommen lag der Rückgang im gleichen Zeitraum bei 1,3 Millionen Tonnen (-5,8 Prozent) auf 21,3 Millionen Tonnen.
Mit 8,5 Millionen Tonnen wurde rund ein Drittel des gehandelten Stahlschrotts exportiert. Der Rückgang der Exporte war mit 3,2 Prozent weniger stark als der Rückgang beim Inlandsbedarf (-6,2 Prozent). Dies unterstreiche die Bedeutung eines freien internationalen Marktzuganges für Recyclingprodukte, so die BDSV. Die Importe von Stahlschrott sind im letzten Jahr um 4,6 Prozent auf 4,1 Millionen Tonnen zurückgegangen. Im Gegensatz zu allen anderen Rohstoffen ist Deutschland nach wie vor Nettoexporteur von Stahlschrott. Der Außenhandelsüberschuss verringerte sich 2019 geringfügig auf 4,38 Millionen Tonnen im Vergleich zu 4,46 Millionen Tonnen im Vorjahr.
Coronakrise: BDSV blickt verhalten in die Zukunft
Die Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur im Frühjahr 2020 hat die Coronapandemie – so die BDSV – zunichte gemacht. Die Stahlrecyclingindustrie ist durch die aktuelle Krise sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite massiv betroffen. Durch wochenlange Werksschließungen der Automobilindustrie und Kurzarbeit in vielen Industriezweigen ist das Neuschrottaufkommen stark zurückgegangen. Insgesamt hat die Sammeltätigkeit von Schrotten durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus stark nachgelassen. Stahlwerke und Gießereien haben ihr Produktion ebenfalls gedrosselt und an die verringerte Nachfrage angepasst. Eine Prognose sei derzeit schwierig, sagt die BDSV. Wie schnell sich die Wirtschaft nicht nur in Deutschland, sondern weltweit wieder erholen wird, hänge sehr davon ab, wie lange die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus andauern werden.