Der Materialwissenschaftler Dominik Britz von der Universität des Saarlandes leistete in seiner Doktorarbeit einen Beitrag dafür, dass die Stahlindustrie ihre Stähle noch passgenauer für den jeweiligen Einsatz maßschneidern kann. Hierfür erforschte er den Mikrokosmos des Werkstoffs.
Um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, muss Stahl heute ein Hochleistungswerkstoff sein. Für Pipelines etwa soll er extrem mechanisch belastbar sein, für den Brückenbau zusätzlich biegsam und leicht. „Die komplexe innere Struktur des Stahls ist auf der Mikro- und Nanoskala sehr individuell. Der Stahl hat, um es bildlich auszudrücken, vielfältige Gesichter, die präzise wiedererkennbar sind“, erklärt Britz. Hieraus resultiere eine Vielfalt von mehreren tausend Stahlsorten. „Sie hat zum Ziel, für die jeweilige Anwendung genau das richtige Spektrum an Eigenschaften ausfindig zu machen“, erläutert er. Dies übernähmen in der Stahlindustrie heute hochspezialisierte Experten.
Gefüge mit einer Genauigkeit von bis zu 95 Prozent klassifizieren
In seiner Doktorarbeit hat Britz neue Verfahren entwickelt, die das komplexe Innere des Stahlgefüges mit künstlicher Intelligenz sichtbar machen. „Wir können das jeweilige Gefüge nun fast unabhängig von Experten, absolut objektiv und mit einer Genauigkeit von bis zu 95 Prozent klassifizieren. Damit lässt sich das Eigenschaftsspektrum des Stahls für den jeweiligen Einsatz schneller und entscheidend verlässlicher prüfen“, so der Wissenschaftler. Bisher erreichten menschliche Experten nur eine Genauigkeit von etwa 75 Prozent bei derartigen Klassifizierungen. Außerdem könnten die „Stahlköche“ bei der Herstellung so ihr ganz spezielles Rezept immer weiter verfeinern und die Qualität auch immer genauer überprüfen.
Britz: Enge Zusammenarbeit mit AG der Dillinger Hüttenwerke
Bei seiner Forschung arbeitete Britz eng mit der AG der Dillinger Hüttenwerke zusammen. Gemeinsam mit Chemikern der Saar-Universität entwickelte er eine neue Methode, um den inneren Aufbau von Stählen eindeutig und sogar farblich im Lichtmikroskop erkennbar zu machen. „Hierdurch wird das Gefüge reproduzierbar und damit verlässlich abgebildet. Alle einzelnen Bestandteile sowie deren geometrische Form und Größe können exakt ausgelesen werden“, sagt Britz.
Mithilfe unterschiedlicher Spezialverfahren in der Rasterelektronenmikroskopie gelang es ihm darüber hinaus, die physikalischen Hintergründe dieser eindeutigen Abbildungen der Gefüge-Bestandteile exakt zu beschreiben. Und mit Informatikern des Max-Planck-Instituts für Informatik auf dem Campus und ihren Methoden des maschinellen Lernens kann er die Komplexität der Stahlgefüge mit hoher Genauigkeit objektiv bestimmen.
Zusammen mit Frank Mücklich leitet Britz inzwischen das Steinbeis Forschungzentrum Material Engineering Center Saarland (MECS) auf dem Saarbrücker Campus. Für seine Forschung hat ihm die Universitätsgesellschaft einen ihrer Eduard-Martin-Preise verliehen.