Die Strategie für das Stahlgeschäft treibt Thyssenkrupp mit Hochdruck voran. Auf dem Plan steht unter anderem der Um- und Neubau wichtiger Kernaggregate, den nun der Anlagenbauer Primetals Technologies angehen soll. Welche konkreten Maßnahmen das Unternehmen durchführt und wie sich dadurch die Wertschöpfungskette bei Thyssenkrupp Steel verändert, haben wir hier zusammengefasst.
Thyssenkrupp will für sein Stahlgeschäft diverse Kernaggregate in Duisburg und Bochum um- und neubauen lassen. So hat es der Konzern auf seiner Pressekonferenz zu den jüngsten Quartalszahlen bekanntgegeben. Den größten Teil dieser Aufträge hat das Unternehmen nun dem Anlagenbauer Primetals Technologies erteilt. Dieser soll sich um den Umbau der Gießwalzanlage, dem Neubau einer bestehenden Stranggießanlage (beides in Duisburg) und dem Bau eines Doppelreversiergerüsts am Standort Bochum kümmern.
Neukonfigurierung einer zentralen Schnittstelle im Produktionsnetzwerk
Kernstück der Investitionsoffensive bei Thyssenkrupp Steel ist nach eigenen Angaben die Auftrennung der Gießwalzanlage im Werkteil Bruckhausen in eine neue Stranggießanlage und ein in wesentlichen Komponenten neues Warmbandwerk. „Die Schnittstelle zwischen Flüssigphase und Warmbanderzeugung ist ein Kernstück unseres integrierten Produktionsverbundes“, erklärt Arnd Köfler, Produktionsvorstand bei Thyssenkrupp. Das Unternehmen wolle diesen Bereich nun fit für die nächste Generation machen. „Durch die Trennung und den Neubau von Gieß- und Walzteil können wir unsere Fähigkeiten bei höherfesten Stählen und bei Premiumoberflächen nochmals steigern. Außerdem flexibilisieren wir durch die Abtrennung des Walzteils in ein separates Warmbandwerk unsere Brammenproduktion“, so Köfler.
Aufbau der neuen Anlagen weitgehend bei laufendem Betrieb
Die Neu- und Umbauten sind den Partnern zufolge so geplant, dass die Produktionsunterbrechungen durch den Aggregatwechsel so gering wie möglich gehalten werden. So würden viele wesentliche Komponenten vorab gefertigt und anschließend montiert. Gleichzeitig könnten einige bestehende Anlagenteile in die neuen Aggregate integriert werden – wie zum Beispiel der Pfannendrehturm, der auch für die neue Stranggießanlage die Verteilung des aus dem Stahlwerk kommenden flüssigen Stahls besorge.
Der Übergang vom bestehenden Gießteil der Gießwalzanlage auf die neue Stranggießanlage wollen die Unternehmen ab September 2023 durchführen. Das neue Warmbandwerk, als größte Baumaßnahme des Investitionspakets, soll parallel zum laufenden Betrieb vorbereitet und ebenfalls ab Spätsommer 2023 ans Produktionsnetzwerk angeschlossen werden. Primetals Technologies will es zu diesem Zweck mit energieeffizienten Lösungen im neuen Vorstraßenbereich, einer modernisierten Fertigstraße mit anschließender Bandkühlung sowie neuen Automatisierungs- und Prozessmodellen ausstatten. „Durch die Neukonfigurierung dieses Bereichs erzielen wir neben den Qualitätssteigerungen auch eine bessere Auslastung unseres vorgeschalteten Stahlwerks, weil wir die Gieß- und Walzkapazitäten erhöhen können“, betont Köfler. Dies verbessere die Gesamtperformance des Produktionsnetzwerks noch einmal an einer zentralen Stelle.
Ein weiteres Aggregat, das im Zuge der anstehenden Maßnahmen neu gebaut werden soll, ist die Stranggießanlage 3. Damit will Thyssenkrupp die bestehende Stranggießanlage 1 im Duisburger Werkteil Beeckerwerth ersetzen. Dessen Neubau ist im Anschluss an den Umbau der Gießwalzanlage für das Jahr 2024 geplant.
Thyssenkrupp will Fähigkeiten bei höherfesten Stählen und Elektroband erhöhen
Primetals Technologies erhielt ebenfalls den Auftrag zum Bau eines Doppelreversiergerüsts am Standort Bochum. Letzteres plant Thyssenkrupp, in den nächsten Jahren zu einem Kompetenzzentrum für Elektromobilität auszubauen. Auch hier gehe der Trend hin zu immer dünneren und hochsilizierten Materialien, die unter anderem erhöhte Anforderung an die Kaltwalztechnologie stellten, halten die Partner fest. Das neue Doppelreversiergerüst erfülle diese Ansprüche und verbessere die am Standort vorhandenen Fähigkeiten bei nicht kornorientiertem Elektroband „noch einmal deutlich“. Das Walzgerüst werde daher durch eine beliebig steuerbare Anzahl von vor- und zurückführenden – reversierenden – Walzvorgängen besonders dünne Materialien walzen können. Dies sei bei Blechen, die in Elektromotoren und Generatoren eingesetzt werden, besonders wichtig, da so Magnetisierungsverluste minimiert werden könnten. „Die Versorgung des neuen Doppelreversiergerüsts wird über das neue Warmbandwerk 4 sichergestellt. Wir werden so die Qualitätssteigerungen in der gesamten Prozesskette nutzen, um etwa bei höherfesten Mehrphasenstählen oder bei den optimierten Elektrobandgüten der Zukunft punkten zu können“, erläutert Köfler.
Alle Neu- und Umbaumaßnahmen sollen bis Anfang 2025 abgeschlossen sein, heißt es in einem gemeinsamen Statement beider Unternehmen. Die Investitionssumme belaufe sich auf rund 700 Millionen Euro, wie Konzern-Finanzvorstand und Vorstand der Stahlsparte Klaus Keysberg im Februar erklärte. Der betont heute: „Wir gehen jetzt sofort in die Umsetzung der beschlossenen Investitionen, um möglichst schnell die damit verbundenen positiven Portolio-Effekte zu realisieren.“ Für Primetals Technologies markiere der Großauftrag „einen neuen Höhepunkt der jahrzehntelangen Zusammenarbeit“ der Unternehmen.
Quelle: Primetals Technologies/Thyssenkrupp, Beitragsfoto: Thyssenkrupp Steel Europe