Der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG hat dem Einstieg der tschechischen EP Corporate Group bei Steel Europe zugestimmt. Die Partnerschaft soll das Stahlgeschäft resilienter aufstellen. Die Beschäftigten äußern indes ihren Unmut.
Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel bekommt einen neuen Miteigentümer. Der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky übernimmt mit seiner Energieholding EP Corporate Group (EPCG) zunächst 20 Prozent des Unternehmens. Thyssenkrupp hatte bereits Ende April eine grundsätzliche Einigung mit EPCG erzielt. Gefestigt wurde die Entscheidung nun mit dem Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden Siegried Russwurm gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter. Noch im laufenden Geschäftsjahr soll die Transaktion abgeschlossen werden.
Thyssenkrupp bezeichnet die strategische Partnerschaft mit EPCG als „bedeutenden Schritt zur Sicherung einer resilienten, kosteneffizienten und klimaschonenden Stahlproduktion“. Sie leiste einen wichtigen Beitrag zur „Sicherung der Stahlindustrie“ in Deutschland und verbinde das „führende Werkstoff-Knowhow von Thyssenkrupp Steel Europe mit der Energieexpertise von EPCG“.
Thyssenkrupp-Belegschaft versammelt sich zum Protest
Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel Lopez hatte am Mittag des 23. Mai vor der Belegschaft für den geplanten Teilverkauf der Stahlsparte geworben. Ihm gegenüber standen tausende Stahlarbeiter, die sich vor der Essener Konzernzentrale zum Protest versammelt hatten. Lopez verwies auf die Schwierigkeiten des Stahlgeschäfts im Zuge der grünen Transformation und versprach eine „konstruktive Zusammenarbeit“ mit den Arbeitnehmervetretern. Ohne Einschnitte werde es aber nicht gehen, betonte er. Rund 27.000 Mitarbeiter sind bei Thyssenkrupp Steel derzeit beschäftigt.
„So etwas hat es bei Thyssenkrupp noch nie gegeben. Jetzt sind wir im Konfliktmodus!“
Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats von Thyssenkrupp und Mitglied des Aufsichtsrates
Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall üben heftige Kritik. „Mit der Doppelstimme von Herrn Russwurm sind die letzten Hoffnungen auf ein faires, demokratisches Miteinander begraben worden“, sagt Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats von Thyssenkrupp und selbst Mitglied des Aufsichtsrates. Lopez handele „unverantwortlich“ und gehe volles Risiko. „So etwas hat es bei Thyssenkrupp noch nie gegeben. Jetzt sind wir im Konfliktmodus“, so Nasikol.
Als ein „waghalsiges Manöver in stürmischen Zeiten“ bezeichnet den Beschluss Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp. „Der Stahlvorstand arbeitet gerade an einem Restrukturierungskonzept, dem wahrscheinlich Tausende Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen. Für die Restrukturierung werden Milliardensummen fällig werden. Mein Fazit: Die Thyssenkrupp AG entledigt sich ihrer Verantwortung für die Beschäftigten, noch bevor der Plan für den Stahlbereich überhaupt vorliegt“, kritisiert Kerner.
Kritik auch vonseiten der Politik
Unterstützung bekommen die Metaller von der Politik. Zur Aktion vor der Konzernzentrale in Essen war zum Beispiel auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann gekommen. Der CDU-Politiker forderte die Konzernverantwortlichen bei Thyssenkrupp auf, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen und betonte: „Wir lassen nicht zu, dass in diesem Land die soziale Partnerschaft mit Füßen getreten wird.“ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil forderte die Konzernleitung indes auf, ein konkretes Konzept für die Zukunft von Thyssenkrupp Steel vorzulegen: „Es geht um Sicherheit im Wandel. Das ist euch euer Chef schuldig.“ Und dann versprach Heil: „Wenn Ihr mich braucht, bin ich da.“
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