In einem gemeinsamen Projekt wollen Materialforscher der Universität des Saarlandes und Maschinenbauer der RWTH Aachen gemeinsam mit dem Stahlhersteller Dillinger maßgeschneiderte neue Stahlsorten entwickeln. Letztere sollen sich für den EInsatz in Windkraftanlagen auf offener See eignen. Ziel ist es, dass sie für viele Jahre den Stürmen, Wellen und dem aggressiven Salzwasser trotzen. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt mit 1,2 Millionen Euro.
Um die riesigen Stahlrohre für Offshore-Windparks anzufertigen, werden Grobbleche benötigt – Dillinger im Saarland stellt ebensolche her. Das Unternehmen schweißt Bleche mit einer Wandstärke von etwa zehn Zentimetern zu Rohrstücken mit Durchmessern von bis zu zehn Metern zusammen. Anschließend werden sie bis zu einer Länge von über 80 Metern Stück für Stück durch weitere Schweißnähte miteinander verbunden. „Der Knackpunkt bei diesem Verfahren ist die enorme Hitze, die kurzzeitig an der Schweißnaht auf den Stahl einwirkt und das innere Gefüge des Materials verändert. Je dicker die Grobbleche sind und je schneller sie unter Produktionsbedingungen verschweißt werden, umso drastischer können Abweichungen im Gefüge rund um die Schweißnähte sein“, erklärt Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes.
Untersuchung auf Mikro- und Nanoebene
Der Materialforscher entwickelte mit seinem Team spezielle Analysetechniken, mit denen sich alle Veränderungen dieser inneren Struktur von Materialien quantitativ darstellen lassen. Dafür setzt der Wissenschaftler hochauflösende Elektronen- und Ionenmikroskope bis hin zur Nano-Tomographie und Atomsonden-Tomographie ein. Die dabei erfassten Informationen und Bildserien auf verschiedenen Größenskalen werden anschließend im Computer wieder zum exakten räumlichen Abbild des Stahlgefüges zusammengefügt – bis hin zum einzelnen Atom. „Wir erkennen dadurch auf der Mikro- und Nanoebene sowie der atomaren Skala, an welcher Stellschraube man drehen muss, um einen Werkstoff so zu verändern, dass er die gewünschten Eigenschaften erhält“, erläutert Mücklich, der auch das Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik auf dem Saarbrücker Uni-Campus leitet.
Gemeinsam mit den Monopile-Produzenten EEW Special Pipe Constructions, Sif Group und dem Schweißzusatz- und Stromquellenhersteller Lincoln Electric arbeiten die Projektpartner nun daran, den Stahl der Grobbleche für die Schweißverfahren beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen weiter zu optimieren.
Moderne Schweißverfahren spielen wichtige Rolle
„Dillinger hat in den letzten Jahren zukunftsweisende Investitionen getätigt und Innovationen vorangetrieben, um die Bleche für den anspruchsvollen Monopile-Markt weiterzuentwickeln“, erläutert der promovierte Materialwissenschaftler und Schweißfachingenieur Sebastian Scholl von Dillinger. Damit habe das Stahlunternehmen bereits deutlich die Produktivität steigern können und zu einer Senkung von Baukosten für Offshore Windanlagen beigetragen. Hierbei sei wichtig, so Scholl, auch die Effizienz der Weiterverarbeitung weiter zu erhöhen. Dabei spielen moderne Schweißverfahren für Grobbleche, etwa das Mehrdraht-Unterpulverschweißen oder das Elektronenstrahlschweißen, eine zentrale Rolle. „Der nächste wichtige Schritt wird sein, die Fertigungszeit zu reduzieren. Dies kann durch Hochleistungsschweißverfahren erreicht werden. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir daher in diesem Forschungsprojekt einen Stahl entwickeln, der diese hohen Anforderungen erfüllt“, sagt Scholl.
Diesem stimmt Professor Uwe Reisgen, Leiter des RWTH-Instituts für Schweißtechnik und Fügetechnik, zu: „Solch enorme Stahlkonstruktionen sind ohne Schweißtechnik völlig undenkbar. Wir brauchen für die riesigen Stückzahlen sowohl hocheffiziente Schweißverfahren als auch maßgeschneiderte Werkstoffe. Sie müssen sich mit den Hochleistungsschweißverfahren ohne Verlust ihrer mechanisch-technologischen Eigenschaften gut verarbeiten lassen.“
Im Rahmen des Energieforschungsprogramms „Innovationen für die Energiewende“ fördert das Bundeswirtschaftsministerium das Verbundprojekt mit 1,2 Millionen Euro. Insgesamt weist es ein Finanzvolumen von mehr als 1,9 Millionen Euro auf.