Material verteuert, Teile werden nicht abgenommen, Energiepreise steigen – deutsche Zulieferer warnen vor einem Kollaps der Lieferkette in der Automobilindustrie. Vier Industrieverbände gehen nun gemeinsam auf die Branche zu.
In einem Brandbrief haben deutsche Automobilzulieferer auf die kritische Lage in der Lieferkette der Automobilindustrie aufmerksam gemacht. „Zerstörerische Markthemmnisse, chipmangelbedingte Produktionsstopps und drastisch gestiegene Energiekosten werden für Zulieferer zum ruinösen Mix“, heißt es in dem Schreiben. Verfasser sind der Industrieverband Blechumformung (IBU), der Industrieverband Massivumformung (IMU), der Deutsche Schraubenverband (DSV) und der Verband der Deutschen Federnindustrie (VDFI).
IBU fordert: „Kunden in die Pflicht nehmen“
IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs beschreibt die Lage als „hochgefährlich“ für die mittelständische Zuliefererstruktur. „Da Verantwortliche schwer auszumachen sind, plädieren wir für den Schulterschluss zwischen OEMs und Zulieferern“, betont der Manager. Vom Staat fordere er zudem eine Energiekostenbegrenzung, „da hohe Preise die Krise zusätzlich befeuern“. In ihrem offenen Brief lenken die Branchenverbände den Blick daher auf den Erhalt der Lieferketten. Vonseiten der Auftraggeber seien verlässliche Produktionszahlen und Abrufplanungen vonnöten. „Sie sollten nur noch dann Vormaterial bestellen, wenn die Abnahme der Teile definitiv zugesichert ist“, fordert Jacobs und empfiehlt seinen Mitgliedern zugleich, Kunden entsprechend in die Pflicht zu nehmen. Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung, so das Schreiben, habe dafür die Rechtsverbindlichkeit von Lieferabrufen nochmals juristisch bewertet und den Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt.
Insbesondere der Chipmangel zwinge Autobauer derzeit zu Produktionseinschränkungen, stellen die Verbände fest. Systemlieferanten gingen bis mindestens 2022 von einer angespannten Halbleiterversorgung aus. Bei Zulieferern verursacht dies laut DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck über 30-prozentige Umsatzeinbrüche, verbunden mit Liquiditätsengpässen durch verschobene und nicht abgenommene Fertigware. Er appelliert an OEMs, das Chiprisiko nicht abzuwälzen. „Auch wenn Hersteller teilweise nicht wissen, wann sie welche Mengen von Elektronikbauteilen bekommen: Sie haben eine vertragliche Verpflichtung gegenüber ihren Zulieferern. Gefragt sind Lösungen, die deren Probleme abfedern. Die gute Ergebnislage der OEMs lässt das sicherlich zu.“
Zeitpunkt für CO2-Abgaben „absolut falsch“
Den Staat rufen die Verbände indes auf, nicht krisenverschärfend zu agieren. „Unsere steuergetriebenen Energiepreise belasten die Industrie in unzumutbarer Weise. Insbesondere im internationalen Wettbewerb“, unterstreicht Wolfgang Hermann, Geschäftsführer des VDFI. IMU-Geschäftsführer Tobias Hain ergänzt: „Frankreich reagiert auf die aktuelle Lage mit einem Energiedeckel zum Schutz der Industrie, Deutschland erhöht dagegen die Preise.“ Den Zeitpunkt für CO2-Abgaben und EEG-Umlageerhöhungen halten die Branchenvertreter für „absolut falsch“. Die mittelständische Wirtschaft stehe vor gewaltigen Herausforderungen, für die Transformation müssten Investitionsreserven erwirtschaftet werden.