Das Industriekonsortium „HyIron“ hat die nach eigenen Angaben „weltweit größte“ Wasserstoff-Direktreduktionsanlage in Betrieb genommen. Die Pilotanlage steht auf dem Gelände des Gaskraftwerks Emsland von RWE – wo auch der benötigte Wasserstoff erzeugt wird.
Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie ist eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Allein in Deutschland werden jährlich rund 55 Millionen Tonnen CO2 bei der Stahlherstellung emittiert. Das entspricht sechs Prozent der deutschen Gesamtemissionen. Dem Industriekonsortium „Hylron“ ist mit Unterstützung des Landes Niedersachsen jetzt ein riesiger Schritt gelungen, um genau dieser Herausforderung zu begegnen. Mit Inbetriebnahme der nach eigenen Angaben „weltweit größten“ Direktreduktionsanlage auf dem Gelände des RWE Gaskraftwerks Emsland in Lingen kann Eisenerz allein mithilfe von grünem Wasserstoff, und damit vollständig klimaneutral, reduziert werden.
Das Niedersächsische Umweltministerium fördert die Errichtung der Anlage mit drei Millionen Euro. Die Inbetriebnahme sei „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft“, betonte Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer. Der Einsatz von grünem Wasserstoff in der Stahlproduktion zeige, dass technologische Innovationen einen „entscheidenden Beitrag zum Schutz der Umwelt“ leisten könnten. „Die erfolgreiche Umsetzung dieses Projekts unterstreicht außerdem die Attraktivität Niedersachsens als Standort für die Zukunftstechnologie Wasserstoff und untermauert Niedersachsens Weg grünes Wasserstoffland Nr.1 in Deutschland zu werden“, so Meyer.
HyIron: Für Benteler ein „Leuchtturm-Projekt“
Neben HyIron sind die Unternehmen RWE und Benteler Steel/Tube am Vorhaben beteiligt. Mit diesem Projekt testen die Projektpartner ab 2024 auch den Einsatz von Eisenschwamm in der Stahlproduktion. Dieser wird anschließend mit Stahlschrott eingeschmolzen und weiter zu Stahl verarbeitet. Benteler will den in Lingen erzeugten Stahl verwenden, um daraus CO2-arme Rohre zu produzieren. Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen im ersten Schritt über eine Tonne grünes Eisen pro Stunde mithilfe von grünem Wasserstoff produziert werden. „Ein Leuchtturm-Projekt mit der weltweit größten Wasserstoff-Direktreduktionsanlage zur Herstellung von grünem Eisen geht nun am Standort Lingen an den Start“, erklärten die Partner in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Für Benteler Steel/Tube sei die Eröffnung der Direktreduktionsanlage „ein Meilenstein“ innerhalb des gemeinsamen Projekts, so COO Thomas Michaels. Der dort produzierte Eisenschwamm soll künftig in unserem Elektrostahlwerk in Lingen eingeschmolzen und zu Stahl weiterverarbeitet werden. „Aufgrund der ähnlich guten mineralogischen Eigenschaften des Eisenschwamms – verglichen mit Stahlschrott – kann dieser als alternative Vormaterialbasis einen echten Mehrwert für die CO2-arme Stahlproduktion bieten. Wir freuen uns sehr über unsere Teilnahme an diesem Projekt und darüber, gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern HyIron und RWE, einen Beitrag zur grünen Transformation der Stahlindustrie zu leisten“, sagte Michels.
Eisenerz stammt aus Namibia
HyIron entstand durch eine Partnerschaft namibischer und deutscher Unternehmen, die auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien und Engineering arbeiten. Im Zentrum der Kooperation steht die sogenannte „HyIron“-Technologie. Dabei handelt es sich um einen innovativen Prozess, der sich durch die Entwicklung eines eigenen gasdichten Drehrohrofens auszeichnet. Hier reagiert Wasserstoff vollständig mit dem Sauerstoff im Eisenerz und wandelt es in elementares Eisen (Direct reduced iron, DRI) um. Anstatt Kohlenstoffdioxid entsteht dank dieser Technologie lediglich Wasserdampf, der wieder zur Wasserstoffherstellung genutzt werden kann. Dieser Kreislauf stellt einen weiteren entscheidenden Vorteil auf dem Weg zur nachhaltigen Produktion von Eisen dar.
Dr. Stephan Köhne, geschäftsführender Gesellschafter von HyIron, sieht in dem Projekt in Lingen eine Möglichkeit, das Produkt „grünes Eisen“ zur Marktreife zu führen. In Namibia baut das Unternehmen – mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – derzeit eine Produktion im industriellen Maßstab auf. Langfristig sollen dort bis zu zwei Millionen Tonnen Eisen für die deutsche Stahlindustrie erzeugt werden. „Hier in Lingen setzen wir schon jetzt Eisenerz aus Namibia ein, um den Prozess und das Produkt zu optimieren“, ergänzt Köhne.
Die Standortentscheidung für Lingen ist aufgrund der hohen Dichte an Wasserstoffvorhaben in der H2-Region Emsland allgemein und speziell am RWE Gaskraftwerksstandort Emsland getroffen worden. Der grüne Wasserstoff für HyIron wird zukünftig in der 14-Megawatt-Pilot-Elektrolyse von RWE erzeugt, die voraussichtlich Ende 2023 direkt neben der Direktreduktionsanlage ihren Betrieb aufnehmen wird. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz fördert den Bau der Pilotelektrolyse mit acht Millionen Euro.